Erste Leitlinie zu Schwangerschaftsabbrüchen erschienen |
Christina Hohmann-Jeddi |
27.01.2023 16:30 Uhr |
Zusätzlich zu dem vorgeschriebenen Beratungsgespräch sollte der Leitlinie zufolge bei einer Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägt, eine Anamnese zu körperlichen Faktoren, früheren Schwangerschaften und Geburten sowie Vorerkrankungen erstellt werden. Der Arzt sollte zudem das Vorliegen der Schwangerschaft bestätigen und das korrekte Gestationsalter ermitteln und dokumentieren. Wenn die Schwangere sich entschieden hat, sollte der Eingriff so rasch wie möglich durchgeführt werden, da er zu einem frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft mit niedrigeren Komplikationsraten verbunden ist.
Ein Schwangerschaftsabbruch kann prinzipiell medikamentös oder operativ (durch Absaugen) erfolgen. In Deutschland wurden im Jahr 2021 die meisten Abbrüche mit der Absaugmethode durchgeführt (52 Prozent), 11 Prozent mit Ausschabung (Kürettage) und ein medikamentöser Abbruch mit Mifepriston (Mifegyne®) wurde in 32 Prozent der Fälle eingesetzt. »Welche Methode im Einzelfall am besten geeignet ist, sollte in einem ergebnisoffenen Gespräch gemeinsam mit der schwangeren Frau entschieden werden«, heißt es in der Leitlinie. Hierzu sagt Leitlinienkoordinator Professor Dr. Matthias David von der Charité Berlin: »In manchen anderen Ländern ist der medikamentöse Abbruch schon stärker verbreitet, da hinkt Deutschland etwas hinterher.«
In Deutschland erfolgt der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch in der Regel mit dem Progesteronrezeptor-Antagonisten Mifepriston. Er ist bis zum Ende der neunten Schwangerschaftswoche möglich. Der Wirkstoff hemmt die schwangerschaftserhaltende Wirkung des Hormons Progesteron, in der Folge kommt es zu einer Blutung und zur Abstoßung des Schwangerschaftsgewebes. Hierzu muss 36 bis 48 Stunden nach der Einnahme von Mifepriston ein Prostaglandin, zum Beispiel Misoprostol, eingenommen werden. Das Prostaglandin bewirkt Kontraktionen der Gebärmutter, verstärkt die Ausstoßung des Schwangerschaftsgewebes und senkt die Blutungsdauer. Während Mifepriston unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden sollte, kann das Prostaglandin auf Wunsch auch zu Hause eingenommen werden.
Für medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche wird der Progesteronrezeptor-Antagonist Mifepriston eingesetzt. / Foto: Adobe Stock/ivanko80
Laut Zulassung der Präparate ist eine Dosierung von 600 mg Mifepriston gefolgt von 400 µg Misoprostol vorgesehen. In der Leitlinie werden allerdings andere Dosen empfohlen, nämlich 200 mg Mifepriston und 800 µg Misoprostol buccal, sublingual oder vaginal im Abstand von 24 bis 48 Stunden. Die Begründung: Ein Abbruch mit 200 mg Mifepriston gefolgt von Misoprostol sei hocheffektiv, heißt es in der Leitlinie. Gegen die orale Gabe von Misoprostol spreche, dass sie weniger effektiv sei als die anderen Applikationswege und zu mehr gastrointestinalen Nebenwirkungen führe. Häufig träten bei diesem Wirkstoff Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö auf. Prophylaktisch könnten Antiemetika angeboten werden.
Üblicherweise kommt es innerhalb von drei Stunden nach der Prostaglandin-Einnahme zu einer Abbruchblutung. Diese Blutungen sind anfangs stärker als Regelblutungen, schwächen dann ab und dauern im Durchschnitt neun Tage an. Sie können mit deutlichen Schmerzen verbunden sein, weshalb den Frauen ein Schmerzmanagement angeboten werden sollte. Laut Leitlinie lindert Paracetamol allein oder in Kombination den Schmerz nicht effektiv genug, Ibuprofen dagegen schon. Nicht steroidale Antirheumatika interferierten nicht mit der Prostaglandinwirkung.
Da Mifepriston eine antiglucocorticoide Wirkung hat, sollte bei Frauen mit chronischer Nebennierenrinden-Insuffizienz oder unter Corticoidtherapie (etwa bei Asthma bronchiale) genau geprüft werden, ob ein medikamentöser Abbruch angewendet werden kann oder ob eventuell die Corticoiddosis angepasst werden sollte. Bei Frauen unter Antikoagulation, mit Blutgerinnungsstörungen oder deutlicher Anämie sollte beachtet werden, dass der Blutverlust beim medikamentösen Abbruch im Vergleich zu den operativen Verfahren erhöht ist. Bei ektopen Schwangerschaften, also wenn der Embryo sich nicht im Uterus eingenistet hat, ist die medikamentöse Methode nicht wirksam.
In Einzelfällen (0,5 bis 1 Prozent) beendet die medikamentöse Methode die Schwangerschaft nicht und 3 bis 5 Prozent der Behandelten haben einen unvollständigen Abort. Während ein inkompletter Abort durch Beschwerden wie Schmerzen und Blutungen auffällt, bleibt eine weiterbestehende Schwangerschaft häufig unbemerkt. Daher wird ein bis zwei Wochen nach dem Eingriff das Ergebnis mittels Ultraschall überprüft, alternativ können die Frauen auch selbst einen Schwangerschaftstest machen. Gegebenenfalls muss dann ein operativer Abbruch folgen.