Erste Erfolge mit allogener CAR-T-Zelltherapie |
Theo Dingermann |
07.10.2024 16:08 Uhr |
CAR-T-Zellen attackieren alle Zellen, die ein bestimmtes Oberflächenmerkmal tragen. Ihre Herstellung könnte demnächst deutlich schneller und günstiger werden. / © Getty Images/Science Photo Library/Thom Leach
Für viele Patienten ist eine CAR-T-Zelltherapie die letzte, aber durchaus vielversprechende Intervention bei B-Zell-Lymphomen und immer öfter auch bei schweren Autoimmunerkrankungen. Bei der Therapie werden T-Zellen des Erkrankten isoliert und ex vivo gentechnisch so modifiziert, dass sie einen chimären T-Zell-Rezeptor exprimieren, der unabhängig von einer MHC-Restriktion, also der Präsentierung eines Antigens über den MHC-I-Komplex, bestimmte Strukturen auf Tumorzellen erkennt. Durch diese Bindung wird die T-Zelle, die den CAR-T-Rezeptor exprimiert, aktiviert, um in Folge sehr effektiv die Tumorzelle zu attackieren.
Der Einsatz autologer modifizierter T-Zellen ist allerdings aufwendig und teuer. Daher lässt eine Publikation aufhorchen, die kürzlich im Wissenschaftsjournal »Cell« erschien. In dem Artikel beschreiben Dr. Xiaobing Wang von der Naval Medical University in Shanghai und Kollegen den Einsatz von allogenen CD19-gerichteten CAR-T-Zellen bei Patienten mit schwerer Myositis und systemischer Sklerose.
Die therapeutisch eingesetzten Zellen stammen in diesen beiden Fällen also nicht von den zu behandelnden Patienten, sondern von gesunden Spendern. Das vereinfacht das Verfahren signifikant, denn diese Art von CAR-T-Zellen kann vorproduziert und bei Bedarf bei unterschiedlichen Patienten eingesetzt werden. Allerdings erfordert dies umfangreiche Modifikationen an den Spenderzellen, um sicherzustellen, dass das Transplantat von den behandelten Patienten nicht abgestoßen wird.
Als Ausgangspunkt zur Herstellung der von den Forschenden als dTyU19 bezeichneten Zellen dienten periphere mononukleäre Blutzellen einer gesunden Spenderin. Aus diesen wurden T-Zellen isoliert, die zunächst mit einem lentiviralen Vektor transduziert wurden, in den ein Gen für einen Anti-CD19-CAR-T-Rezeptor einkloniert war. Anschließend wurden durch CRISPR/Cas-9 induzierte Mutagenese fünf Gene inaktiviert, darunter die Gene für HLA-A und HLA-B, für den Class II MHC-Transaktivator (CIITA), für die konstante Domäne der T-Zell-Rezeptor-Alpha-Untereinheit (TRAC) und das für den PD-1-Rezeptor. Anschließend wurden Zellen selektioniert, die kein CD3-Protein exprimieren, um eine Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) durch die allogenen T-Zellen zu vermeiden. Bei einer GvHR erkennen die Immunzellen des Spenders die Körperzellen des Empfängers als fremd und greifen diese an.
Für die Transplantation setzten die Forschenden 1,3 x 106 CAR-T-Zellen pro kg Körpergewicht ein.
Drei Patienten wurden mit den allogenen CAR-T-Zellen behandelt. Einer litt an einer immunvermittelten nekrotisierenden Myopathie (IMNM), die beiden anderen an einer diffusen kutanen systemischen Sklerose (dcSSc). Wegen der Seltenheit und Aggressivität dieser beiden Autoimmunerkrankungen wird mit aktuellen Behandlungsmethoden oft keine langfristige Linderung erreicht.
Die Forschenden zeigten, dass die Behandlung mit dTyU19 bei den drei Patienten zu einer sicheren und signifikanten Remission führte. Bei den IMNM-Patienten verbesserten sich Muskelentzündungen und Muskelschwäche sichtbar, während bei den zwei dcSSc-Patienten eine deutliche Umkehrung der Haut- und Lungenfibrose zu beobachten war. Dies galt bisher als ausgeschlossen.
Nach einer einmaligen Transplantation der dTyU19-Zellen begannen diese klinisch sichtbare Effekte zu induzieren. Sie vermehrten sich und eradizierten letztlich alle B-Zellen, einschließlich der pathogenen B-Zellen, die für die Autoimmunerkrankungen mitverantwortlich waren. Die CAR-T-Zellen überlebten wochenlang in den Empfängern, bevor sie weitgehend verschwanden. Schließlich erholte sich das B-Zell-Kompartiment, wobei autoreaktive Klone nicht zurückkamen.
Die Überwachung über einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Behandlung zeigte keine schwerwiegenden Nebenwirkungen wie ein Zytokinfreisetzungs-Syndrom oder eine GvHR, was das Potenzial dieser Therapie als sicherere Alternative zu bestehenden Behandlungen unterstreicht. Trotz dieser ermutigenden Ergebnisse sind jedoch weitere Studien mit größeren Kohorten erforderlich, um die allogenen CAR-T-Zellen für den klinischen Einsatz zu validieren.
Dass eine Therapie mit allogenen CAR-T-Zellen einer Therapie mit autologen Zellen aus Sicherheitsaspekten sogar überlegen sein könnte, zeigt eine Studie, die jetzt im »New England Journal of Medicine« publiziert wurde. In dieser Fallstudie berichten Forschende des Universitätsklinikums Düsseldorf über die Ausbildung eines aggressiven Lymphoms nach einer CD19-CAR-T-Zelltherapie.
Dieses letztlich tödliche, klonale, autonom proliferierende periphere T-Zell-Lymphom (PTCL) trat einen Monat nach der Behandlung eines rezidivierten primären Lymphoms des zentralen Nervensystems eines Patienten mit Tisagenlecleucel auf. Das PTCL wies eine klonale T-Zell-Rezeptor-Umlagerung auf, die bereits im Aphereseprodukt für die Herstellung von CAR-T-Zellen und sieben Monate zuvor für die autologe Transplantation nachweisbar war.
Durch die intensiven Analysen der Forschenden lässt sich die Hypothese ausschließen, dass eine Insertionsmutagenese die Ursache für die Bildung des aggressiven Lymphoms war. Es ist jedoch plausibel, dass eine CD19-induzierte CAR-T-Zellproliferation das Wachstum eines bereits vorhandenen malignen T-Zellklons in der Zellpopulation, in die der CD19-spezifische Rezeptor einkloniert wurde, erleichtert oder beschleunigt haben könnte. Eine derartige Komplikation wäre beim Einsatz einer intensiv validierten allogenen CD19-CAR-T-Zelle praktisch ausgeschlossen gewesen.