Erste CRISPR/Cas9-Gentherapie auf dem Markt |
Kerstin A. Gräfe |
06.02.2025 07:00 Uhr |
Die bedingte Zulassung basiert auf den zwei noch laufenden, offenen einarmigen Studien CLIMB-111 (β-Thalassämie) und CLIMB-121 (Sichelzellanämie). Von den 59 Patienten der Studie CLIMB-111, die die Mobilisierung begannen, erhielten 54 das Gentherapeutikum. Der primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten, die über zwölf Monate transfusionsunabhängig blieben. Diesen erreichten 42 Patienten (92,9 Prozent). Sie brauchten über einen Zeitraum von durchschnittlich 22,3 Monaten keine Bluttransfusion und zeigten normal gewichtete durchschnittliche Gesamt-Hämoglobinwerte-Werte (13,2 g/dl).
In der Studie CLIMB-121 wurden bislang Daten von 29 Patienten mit Sichelzellanämie ausgewertet, denen Casgevy verabreicht wurde. Die Wirksamkeit wurde anhand von Patienten mit einer Nachbeobachtungsdauer von mindestens 16 Monaten beurteilt. Der primäre Endpunkt war der Anteil von Patienten, die in den ersten 24 Monaten nach der Infusion von Casgevy mindestens zwölf Monate in Folge keine schweren vasookklusiven Krisen erlitten. Diesen erreichten 93,5 Prozent der Patienten.
Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit sowie Muskel- und Knochenschmerzen.
Im Jahr 2020 ging der Chemie-Nobelpreis an die beiden Entdeckerinnen der Genschere CRISPR/Cas9. Es ist davon auszugehen, dass auch Exagamglogen Autotemcel aufgrund seines hohen Innovationswerts Preise abräumen wird. Ende 2024 hatte das Magazin »Time« Casgevy® bereits als eine der wichtigsten und bahnbrechendsten Erfindungen des Jahres ausgezeichnet. Das ist absolut nachvollziehbar und die Einstufung als Sprunginnovation gut begründbar.
Exagamglogen Autotemcel ist die erste und momentan einzige zugelassene CRISPR/Cas9-Geneditierungstherapie. Insofern ist Casgevy auch ein First-in-Class-Medikament – und weitere CRISPR/Cas-Medikamente für andere Erkrankungen werden in Zukunft folgen, denn es laufen bereits viele klinische Studien. In der Forschung ist »crispern« mittlerweile ein ebenso üblicher Begriff wie »googeln«. Denkbar wäre zum Beispiel, die CRISPR/Cas9-basierte Technologie für neue Medikamente in der CAR-T-Zelltherapie zu nutzen oder mit CRISPR/Cas13-Methoden RNA zu editieren, was möglicherweise noch weniger riskant ist.
Casgevy kann für Menschen mit Sichelzellkrankheit (SCD) oder transfusionsabhängiger β-Thalassämie (TDT) ein wahrer Fortschritt sein. Schmerzhafte vasookklusive Krisen bei SCD und die Notwendigkeit von beeinträchtigenden Transfusionen bei TDT gingen in der Studie bei vielen Betroffenen nach der Behandlung signifikant zurück. Die meisten SCD-Patienten waren im Jahr nach der Therapie ganz frei von vasookklusiven Krisen; fast alle mit TDT erreichten in diesem Zeitraum eine Transfusionsunabhängigkeit. Das überzeugt und ist verknüpft mit einem deutlichen Gewinn an Lebensqualität für die Betroffenen.
Schon heute belegen Follow-up-Daten den bis zu fünf Jahre anhaltenden klinischen Nutzen der Gentherapie. Weitere Daten zur Langzeitwirksamkeit und -sicherheit werden folgen. Beispielsweise ist die Studie CLIMB-131 darauf ausgelegt, Patienten bis zu 15 Jahre nach der Casgevy-Infusion nachzubeobachten.
Sven Siebenand, Chefredakteur