| Sven Siebenand |
| 17.11.2023 09:00 Uhr |
Auch zum Thema Sicherheit äußert sich Corbacioglu: »Wir können nicht zu 100 Prozent sicherstellen, dass durch die Genschere nicht auch andere DNA-Abschnitte verändert werden. Aktuell müssen wir uns darauf ein Stück weit verlassen.« In das gleiche Horn bläst ein anderer Experte, Privatdozent Dr. Joachim Kunz, Oberarzt der Klinik für pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Immunologie am Universitätsklinikum Heidelberg: »Oft wird der CRISPR-Ansatz als sehr präzise Genschere dargestellt, die gezielte Veränderungen im Erbgut ermöglicht. Im Vergleich zu anderen Verfahren ist das auch so. Allerdings können das Schneiden der DNA durch die Genschere und missglückte Reparaturversuche in der Zelle auch unerwünschte Schädigungen des Erbguts provozieren, wie man sie von Krebszellen kennt. Selbst wenn nur einzelne Zellen versehentlich so verändert werden, dass sie einen Wachstumsvorteil gegenüber anderen Stammzellen haben, könnte das im schlimmsten Fall zur Entwicklung einer Leukämie führen. Das ist glücklicherweise bei dieser Gentherapie bisher nicht aufgetreten, aber einer der Gründe, warum die Patienten langfristig eng beobachtet werden müssen.«
Kunz geht in seinem Statement auch auf die Kostenfrage ein. Die Rede sei von 1,5 bis 2 Millionen Euro pro Patient. In Deutschland leben geschätzt allein 3000 bis 4000 Patienten mit Sichelzellanämie. Davon kämen etwa 500 bis 1000 für die neue Therapie infrage, da die Behandlung beginnen sollte, bevor Organschäden eingetreten sind, die gemeinsam mit der Chemotherapie im ungünstigsten Fall zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen könnten. Dem stünden zwar Einsparungen gegenüber, weil die Patienten nicht mehr wegen der Komplikationen der Sichelzellkrankheit behandelt werden müssten. Diese würden aber auch im günstigen Fall erst nach Jahrzehnten die einmaligen Kosten der Gentherapie aufwiegen. Die Erwartung des Experten ist, dass es nach einer potenziellen Zulassung in der EU eine Diskussion darüber geben wird, welchen Preis die Solidargemeinschaft bereit ist zu zahlen und welche Patienten in Anbetracht der voraussichtlich limitierten Verfügbarkeit mit Priorität behandelt werden.