Erste Abmahnung wegen neuer Rx-Rabatte verschickt |
Cornelia Dölger |
23.07.2025 12:54 Uhr |
Die Versender übersähen, dass das BGH-Urteil über die aktuell geltende Rechtslage nichts aussagt, sagt Nordrheins Kammerpräsident Armin Hoffmann. / © PZ/Alois Müler
Recht ist reine Auslegungssache – so erscheint es zumindest in diesen Tagen, kurz nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Rx-Rabatten. Nachdem der I. Zivilsenat am 17. Juli die Klage des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) gegen die Bonuspraxis des Versenders Doc Morris kassiert hatte und Rx-Rabatte auf der Grundlage einer alten Gesetzeslage für legitim befand, preschten die Versender vor. Dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf die Bremse trat und wissen ließ, dass die Preisbindung nach aktueller Rechtslage im SGB V weiterhin gelte, beeindruckte die Versender offensichtlich wenig; Doc Morris startete umgehend neue Rabattaktionen, Redcare (vormals Shop Apotheke) bezeichnete das BGH-Urteil als »Meilenstein« für die Arzneimittelversorgung.
Den neuen Aktionismus will die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) nun einfangen und schafft Fakten: Laut einer AKNR-Mitteilung hat die Kammer eine erste Abmahnung Richtung Versender verschickt. Denn: »Das aktuelle BGH-Urteil vom 17. Juli 2025 bezieht sich ausschließlich auf die alte Rechtslage. Die neuen Aktionen bewegen sich in einem anderen rechtlichen Rahmen – insbesondere im Heilmittelwerberecht, mit dem die Patientinnen und Patienten vor einer unsachlichen Beeinflussung geschützt werden sollen«, so Bettina Mecking, Justiziarin und Geschäftsführerin Recht der AKNR.
Armin Hoffmann, Präsident der Bundesapothekerkammer und der Kammer Nordrhein, ergänzte: »Ausländische Versender werten die Entscheidung aus Karlsruhe als Freibrief für jegliche Art der Werbung mit Rx-Rabatten. Dabei übersehen sie, dass das Urteil des BGH über die aktuell geltende Rechtslage nichts aussagt.«
Anlass für die Abmahnung ist eine neue Rabattaktion mit Rezept-Boni von bis zu 15 Euro pro Arzneimittel für gesetzlich sowie privat Versicherte. Die Aktion verstößt nach Ansicht der Kammer gegen das Heilmittelwerbegesetz; der Bonus stelle eine unzulässige Zuwendung dar. Dabei spiele es keine Rolle, ob dieser Bonus später ausgezahlt oder mit einer Folgebestellung verrechnet werde.
Rx-Boni und -Rabatte dürften nicht als Anreiz für den Kauf weiterer Produkte, unter anderem von OTC-Arzneimitteln, dienen, das besage die aktuelle Rechtslage. Auf Basis eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), laut dem bei Rezepteinlösung gewährte Gutscheine für die nachfolgenden Bestellungen von Non-Rx-Produkten verboten werden können, hatte das Landgericht Freiburg unlängst der Gutschein-Praxis von Doc Morris einen Riegel vorgeschoben.
Preisnachlässe müssten also sofort beim Kauf wirksam werden, damit sie unter bestimmten Bedingungen erlaubt seien. Das sei hier aber nicht der Fall, heißt es von der Kammer. Zudem stünden sie unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen die Arzneimittelpreisbindung verstoßen. Rechtsanwältin Anne Bongers-Gehlert schätzt die Lage in der Mitteilung so ein: »Dieser Versender gewährt den Bonus nicht direkt, sondern frühestens 14 Tage nach Bestellung. Der Kunde kann nun wählen, ob er ihn für einen Folgeeinkauf weiterer Produkte einschließlich nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel einsetzen oder den Betrag am Quartalsende und damit möglicherweise erst mit erheblichem zeitlichen Versatz ausgezahlt bekommen möchte. Damit wird zumindest auch der Absatz nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gefördert.«
Rechtsanwalt Morton Douglas sieht darin zudem eine mögliche Irreführung von Privatversicherten; die Werbung suggeriere einen finanziellen Vorteil für den Patienten, der de facto aber nicht eintrete.
Die Kammer kündigt in der Mitteilung weitere rechtliche Schritte an, sollten die EU-Versender an ihrer Werbepraxis festhalten.
Auch der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) warnt davor, das BGH-Urteil als Freibrief für Rabattschlachten zu interpretieren. »Die Versender hinter der deutschen Grenze und ihre Verbände bejubeln das jüngste Urteil des BGH, als sei die Arzneimittelpreisbindung vollständig gefallen. Das ist aber nicht korrekt: Boni oder Rabatte sind bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln an gesetzlich Krankenversicherte gerade heute nicht ganz selbstverständlich und zulässig«, so Stefan Hartmann, 1. Vorsitzender des BVDAK. Es gelte, den »Fehlentwicklungen unter Berufung auf das aktuelle Urteil« entgegenzutreten. »Die zu erwartenden Rabatt- und/oder Boni-Versprechen müssen sofort abgemahnt und vor Gericht gebracht werden«, forderte Hartmann.
Der BVDAK-Vorsitzende ging zudem auf das Argument des BGH ein, dass es ihm für eine Rechtfertigung der Preisbindung an statistischen Daten und Fakten gemangelt habe. Für den Fall weiterer Rechtsstreitigkeiten, die bis vor den EuGH kommen könnten, seien »vorausschauend alle Daten und Fakten zu sammeln, die der EuGH und der BGH zur Beweisführung gefordert haben«, riet Hartmann. Sowohl die Bundesregierung als auch die Standesvertreter seien »aufgerufen, nicht erneut mit leeren Händen vor Gericht zu stehen«. Dabei könnte das neue Datenpanel der ABDA hilfreich sein.