Erstattungspreise künftig vertraulich |
Ev Tebroke |
27.03.2024 17:04 Uhr |
Die GKV gehe damit finanziell in Vorleistung und trage zudem die das Inkasso-Risiko, so die Kritik etwa seitens des Verbands der Ersatzkassen (vdek). Der Aufbau eines komplizierten Rückerstattungsverfahrens beim GKV-Spitzenverband konterkariere zudem den von der Politik propagierten Bürokratieabbau. Auch beim Sachleistungsprinzip würden die Versicherten durch vertrauliche Erstattungsbeträge zusätzlich belastet, wenn durch den höheren Wunschpreis des Pharmaherstellers höhere Zuzahlungen anfallen, so vdek-Vorstandschefin Ulrike Elsner.
»Die Neuregelung ist ein Bürokratiemonster und birgt neue Kostenrisiken für die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber«, so Elsner. Darüber hinaus verhinderten die geplanten vertraulichen Erstattungsbeträge die europaweite Transparenz für Kostenträger. Dies führe faktisch zu einer Entsolidarisierung der sozialen Sicherungssysteme in Europa.
Diesem Vorwurf begegnete Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) heute in Berlin anlässlich des MFG-Kabinettsbeschlusses. Die EU-Länder würden bislang ebenfalls ihre Preise geheim halten, so Lauterbach. Auch die von den Kassen angeführte Kritik, dass mit den geplanten Neuregelungen zudem wichtige Preissteuerungsmechanismen an Wirkung verlören, verfängt beim Minister nicht. Die Kassen treibt derweil die Sorge um, dass Arztpraxen keine Auswahl zugunsten wirtschaftlicher Arzneimittel treffen, wenn sie keine Kenntnis mehr über die tatsächlichen Preise haben. Darauf angesprochen sagte Lauterbach gegenüber der PZ, er vertraue den Ärzten, dass sie verantwortlich entscheiden. Auf die Anmerkung, dass laut Kassen für diese Arzneimittel zudem die sogenannte Importförderklausel entfalle, die Apotheken dazu verpflichtet, preisgünstige Import-Arzneimittel abzugeben, ging er nicht ein.
Kritik an dem großen Mehraufwand bei vertraulichen Erstattungspreisen und den damit verbundenen Mehrkosten kommt auch vom pharmazeutischen Großhandel. Dessen Bundesverband Phagro bemängelt: »Diese Pläne würden eine zusätzliche Belastung des pharmazeutischen Großhandels beim Einkauf dieser Arzneimittel bedeuten. Denn höhere Arzneimittelpreise führen zu höheren Fremdkapitalkosten für den Einkauf und die Beschaffung von Arzneimitteln.«
Besonders deutlich würde die Mehrbelastung im Bereich der hochpreisigen Arzneimittel. Die gesetzliche Großhandelsvergütung wird laut Phagro ab einem Abgabepreis (ApU) von 1200 Euro gekappt und steigt von da an nicht weiter. »Übertragen auf alle bisherigen Arzneimittel mit Erstattungsbetrag und einem ApU größer 1200 Euro hätten die Phagro-Mitgliedsunternehmen im Jahr 2023 aufgrund der geplanten Neuregelung für den Einkauf zusätzliche 3,3 Milliarden Euro aufwenden müssen«, rechnet der Verband vor. Er fordert deshalb einen Ausgleich für die dem Großhandel zusätzlich entstehenden Mehrkosten. An den MFG-Plänen zeige sich einmal mehr, »wie anpassungsbedürftig die Arzneimittelpreisverordnung ist«.
Ob die neue Verhandlungsoption eines vertraulichen Erstattungspreises greift und dies für deutsche Unternehmen mit Blick auf den EU-Referenzmarkt eine flexiblere Preisverhandlungsbasis schafft, soll spätestens zwei Jahre nach Gesetzbeschluss eine Evaluation beleuchten.