| Melanie Höhn |
| 20.12.2023 17:30 Uhr |
Kratom: Eine Wirkung gegen Schmerzen, Entzündungen oder Depressionen durch Nahrungsergänzungsmittel ist wissenschaftlich nicht belegt. / Foto: Imago/ZUMA Wire
Als Kratom angeboten wird laut Verbraucherzentrale NRW das Blattpulver des asiatischen Kratombaums (Mitragyna speciosa) aus der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae). Die Blätter, aber auch Pulver und Kapseln werden vor allem über das Internet angeboten – im deutschsprachigen Raum oft »nicht für den Konsum«, aber mit Verweis auf andere Internetseiten. Arzneimittel oder Medizinprodukte mit Kratom gibt es in Deutschland nicht. Eine behördliche Sicherheits- und Wirksamkeitsprüfung für diese Produkte fehlt, alleine der Verkäufer beziehungsweise der Hersteller ist für die Sicherheit verantwortlich – häufig sitzen diese im EU-Ausland.
Der Verzehr von Kratom-Pulver oder Kratom-Tee bei Durchfall, Entzündungen, Fieber und Schmerzen, aber auch bei Angst und Depressionen wird mit überlieferten Erfahrungen aus der ostasiatischen Volksmedizin begründet, so die Verbraucherzentrale. Einige Sorten sollen eine euphorisierende Wirkung haben. Pharmakologen sehen in Kratom eher ein Rausch- oder Betäubungsmittel. In niedrigen Dosen sollen die Blätter stimulierend wirken, in hohen Dosen dämpfend und psychoaktiv wie Opioide. Wissenschaftliche Belege für den Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln mit Kratom gibt es jedoch nicht.
Laut US-Food and Drug Administration (FDA) häufen sich Meldungen über unerwünschte Nebenwirkungen: Verstopfung, Appetitlosigkeit und Leberschäden, Krampfanfälle, Halluzinationen und Verwirrheit. Bisher wird von etwa 50 Todesfällen in Zusammenhang mit Kratom in den USA berichtet. Zudem bestehe ein Abhängigkeitsrisiko.
Weitere unerwünschte Wirkungen des Mittels sind grippeähnliche Symptome wie Schüttelfrost, Schweißausbrüche, Übelkeit, Erbrechen, Muskelkrämpfe und Schmerzen, verminderter Appetit oder Durchfall, aber auch Angst, Reizbarkeit, depressive Stimmung, Hitzewallungen und Schlafstörungen.
Das Allergierisiko ist besonders vor dem erstmaligen Gebrauch hoch. Verunreinigungen können zu weiteren allergischen Reaktionen führen. Das enthaltene Alkaloid Mitragynin hemmt verschiedene CYP-Enzyme, sodass es zu Wechselwirkungen mit Medikamenten wie etwa MAO-Hemmern kommen kann. Außerdem sind Auswirkungen auf UGT-Substrate (UGT1A6) sowie P-Glykoprotein-Substrate möglich. Keinesfalls sollte das Mittel bei Herzproblemen, insbesondere Tachykardie, eingenommen werden.
Das Pulver enthält verschiedene Pflanzenalkaloide. Regulierungen oder Standardisierungen gibt es nicht, so dass der Wirkstoffgehalt sehr unterschiedlich und die Wirkung unkontrollierbar sein kann, wie eine Untersuchung aus dem Jahr 2021 zeigte.
Derzeit wertet die FDA in den USA alle verfügbaren wissenschaftlichen Informationen zu diesem Thema aktiv aus und warnt die Verbraucher weiterhin davor, Produkte mit Kratom oder seinen psychoaktiven Verbindungen Mitragynin und 7-Hydroxymitragynin zu verwenden. Hinzu kommt, dass immer wieder Kratom-Produkte mit massiver Salmonellen-Belastung gefunden wurden. Einige Produkte enthielten auch problematisch hohe Mengen der giftigen Schwermetalle Blei und Nickel.
Laut Verbraucherzentrale ist es fraglich, ob Kratom überhaupt ein Lebensmittel sein kann. Da ein regelmäßiger Verzehr in der EU von Mai 1997 nicht nachgewiesen werden könne, handle es sich um ein neuartiges Lebensmittel, und das Pflanzenpulver müsste zunächst eine Sicherheitsprüfung durch die EU durchlaufen, bevor es als Lebensmittelzutat zugelassen werden könnte. Ein entsprechender Antrag sei bisher nicht erfolgt. Weil es eine unzulässige neuartige Zutat sei, gab es im Europäischen Schnellwarnsystem RASFF 15 Warnmeldungen allein in den ersten fünf Monaten 2023 dazu.
Im März 2022 hat die Gemeinsame Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen beschlossen, Kratom als neues Thema für ihre Arbeit aufzunehmen. In Ländern wie der Schweiz, Australien, Großbritannien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Schweden oder den USA gehört Kratom zu den kontrollierten Substanzen, ist also kein legales Nahrungsergänzungsmittel. Im Jahr 2021 wurden allein in den USA 207.000 Packungen mit Kratom beschlagnahmt. Insgesamt haben mehr als 30 Staaten, darunter Japan, Serbien, Kroatien und Syrien, eigene Gesetze zur Kontrolle des Kratom-Konsums veranlasst.