Erfolg ist keine Frage des Alters |
Jennifer Evans |
11.06.2024 15:00 Uhr |
Ab 1962 hatte Sanacorp (damals EGWA) eine Niederlassung in Ulm. Auch dort war das Telefon Hauptkommunikationsmittel für die Kundenbetreuung, wie die Mitarbeiterinnen hier Ende der 1960er-Jahre demonstrieren. / Foto: Sanacorp
In diesem Jahr feiert die älteste Apothekergenossenschaft Deutschlands ihr 100-jähriges Bestehen. Seinen Anfang nahm alles am 29. Juli 1924 in Esslingen. Auf dieses Datum fällt die Gründung der sogenannten Einkaufsvereinigung Württembergischer Apotheker, später kurz EGWA. Damals schlossen sich 30 Apotheker zusammen, um gemeinsam Arzneimittel zu kaufen. Denn schon damals hatte die Apothekerschaft mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Grund waren seinerzeit die sich verändernden Arbeits- und Kostenstrukturen durch die neuen Fertigarzneimittel der chemischen Industrie. Der Erste Weltkrieg und die Hyperinflation hatten die Situation zusätzlich verschärft. Was lag also näher, als sich zusammenzutun und gemeinsam Lösungen zu finden? Konkret ging es darum, Einkaufsmengen zu bündeln und die Verteilung selbst in die Hand zu nehmen.
Mit vier Produkten begann die EGWA 1939 ihr Großhandelsgeschäft: Silphoskalin Tabletten, Thylial, Trineral und Ovomaltine. Die genossenschaftliche Selbsthilfe stellte sich als eine wirtschaftliche Entlastung heraus. Zumal große Unternehmen wie Bayer die Grundstoffe für Arzneimittel sowie die Medikamente selbst produzierten, aber nicht jeden Großhändler damit versorgten. Bis in die 1960er-Jahre weigerten sich einige, die Genossenschaften zu beliefern, wie es in der Chronik namens »Apotheker handeln. Gemeinsam!« heißt, die anlässlich des Jubiläums in einer überarbeiteten Auflage erschienen ist.
Die Firmengeschichte von Sanacorp ist also von Anfang an geprägt vom Gemeinschaftsgedanken. In den Nachkriegsjahren trafen sich in vielen Städten kleine Gruppen gleichgesinnter Apotheker, um durch gegenseitigen Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Rohstoffbezug bei den Herstellern ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Als die Nationalsozialisten dann an der Macht waren, unterdrücken sie laut Chronik teilweise die Genossenschaften. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Apotheken zerstört, die Lager leer und Arzneimittel kaum zu beschaffen. Die deutschen Apotheker standen erneut vor der Frage, wie sie sich selbst Rohstoffe für die Herstellung beschaffen konnten. Schon wenige Wochen nach Kriegsende entstanden demnach wieder die alten Genossenschaften sowie weitere neue Apothekerzusammenschlüsse.
Schließlich machte das deutsche Wirtschaftswunder auch bei der Apothekerschaft nicht halt. Die positive Entwicklung ermöglichte Sanacorp, neue regionale Niederlassungen zu schaffen sowie Lochkartensysteme und elektronische Datenverarbeitung in Lagern und Büros zu etablieren. Mit ihrem 1959 gegründeten Gepha-Verband erreichten die Genossenschaften im Laufe der 1960er-Jahre endlich, dass alle Arzneimittelhersteller sie belieferten und sie so zu Vollsortimentern werden konnten.
In der »Pharmazeutischen Zeitung« erschien 1963 ein Bericht zur EGWA-Generalversammlung in Esslingen und deren Bemühungen um den Nachwuchs der Branche: »Auch ließ sich die EGWA im vergangenen Jahr die Kontaktverbesserung zwischen Apotheke und Großhandel angelegen sein. Sämtliche Helferinnenfachklassen der Stuttgarter Kerschensteiner-Schule und viele Helferinnen aus dem Großraum Stuttgart folgten den Einladungen zur Betriebsbesichtigung und anschließenden Aussprache. Die EGWA wie deren Gäste hatten den Eindruck gewonnen, dass Veranstaltungen dieser Art sich recht vorteilhaft auf den täglichen Geschäftsverkehr miteinander auswirken können«, zitiert Sanacorp ist seinem Jubiläumsbuch das Blatt.