EPA-Start sei «niederschmetternd» |
Zwei Wochen nach Einführung der elektronischen Patientenakte äußern sich Ärzte in Hessen kritisch. / © Adobe Stock/bongkarn
In Hessens Praxen und Kliniken herrscht nach dem Start der elektronischen Patientenakte (EPA) Ernüchterung. Der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Christian Sommerbrodt, formulierte es im dpa-Interview so: »Vom Bundesgesundheitsministerium wurde es beworben wie ein iPhone 16. Erwartet haben wir ein Nokia. Was wir bekommen haben, ist ein Telefon mit Wählscheibe.« Auch die Kassenärztliche Vereinigung und das Frankfurter Universitätsklinikum sind alles andere als begeistert.
Der Ärger fängt schon damit an, dass nach Schätzung des Hausärzteverbands erst rund jede dritte Praxis technisch überhaupt in der Lage ist, auf die EPA zuzugreifen. Sommerbrodt zufolge gibt es rund 100 verschiedene Praxisverwaltungssysteme und viele Firmen haben noch keine lauffähigen Lösungen. Bei einigen funktioniert es, andere brauchen ein Update, einige Praxen müssen demnach sogar den Anbieter wechseln.
Aber auch dort, wo es funktioniere, seien die Erfahrungen »niederschmetternd«, sagt Sommerbrodt. »Digital ist daran gar nichts. Das ist eine Dropbox, in die man PDF-Dokumente reinschmeißt. Es gibt keine Ordnung und man kann nichts suchen.« Und das alles noch »ohne ausreichende Sicherheit«.
Das Interesse der Patienten sei »fast null«, sagt Sommerbrodt. Kaum einer habe einen Zugang zu seiner E-Akte, zum Beispiel über eine App der Krankenkasse. Gerade für die Patientengruppen, für die es am wichtigsten wäre – ältere, schwer kranke Menschen – sei das alles zu kompliziert. »Die versuchen es und geben dann schnell frustriert auf.«
»Eine EPA zu haben ist total sinnvoll«, findet die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen. Das zeigten digitale Patientenakten in anderen Ländern. »Nur haben wir es in Deutschland mal wieder 'meisterhaft' verstanden, für eine sinnvolle Innovation nicht nur wahnsinnig viel Zeit zu brauchen, sondern ein Produkt an den Start zu bringen, das den eigentlichen Sinn einer solchen Akte gar nicht erfüllen kann«, sagt KV-Sprecher Karl Roth.
Eine EPA sollte den Behandlern einen schnellen Überblick bieten über das, was medizinisch wissenswert ist. »Und das kann sie nicht, wenn sie, wie die EPA in Deutschland, patientengeführt ist«, so Roth. »Von den Mängeln in der Funktionalität wie einer fehlenden Suchfunktion mal ganz abgesehen. Und die Lecks, die gerade letzte Woche publik wurden, dürften das Vertrauen in die Akte nicht gestärkt haben.«