Entscheidend ist die Vielfalt |
Annette Rößler |
18.04.2023 07:00 Uhr |
Die Haut und andere Organe des Menschen sind mit vielen verschiedenen Mikroorganismen besiedelt. Diese lassen sich nur teilweise überhaupt im Labor anzüchten. / Foto: Getty Images/Manjurul
Das Mikrobiom des Menschen, also die Gesamtheit der mikrobiellen Lebensgemeinschaft in und auf dem menschlichen Körper, ist mittlerweile kein neues Forschungsgebiet mehr. Am Helmholtz Zentrum München beschäftigen sich Mitarbeiter in mehreren Abteilungen mit dem Einfluss des menschlichen und auch des Umweltmikrobioms auf die Gesundheit. Kürzlich stellten mehrere Forscherinnen und Forscher ihre Ergebnisse in einem gemeinsamen Onlineseminar vor.
Von »dem« Mikrobiom des Menschen zu sprechen, sei dabei allerdings grob vereinfachend, begann Professor Dr. Michael Schloter, Leiter der Abteilung für vergleichende Mikrobiomanalysen, seinen Vortrag. Denn jeder Mensch verfüge über viele verschiedene Mikrobiome, etwa eines der Nase, des Munds, der Lunge, des Magens, des Darms, des Geschlechtsorgans und der Haut. Jedes einzelne davon zeichne sich durch eine spezifische Zusammensetzung aus und erfülle bestimmte Funktionen: Im Darm helfen Mikroorganismen bei der Verdauung, auf der Haut sind sie an der Immunabwehr beteiligt, der Lunge verleihen sie Stabilität durch Feuchthalten des Lungengewebes, im Mund verhindern sie die Ansiedelung von Pathogenen und in der Nase tragen sie zur Schleimbildung bei. »Diese Mikroorganismen haben eine Leistung, die wir selbst nicht erbringen können. Ihre genetische Information ist für uns integral«, betonte Schloter.
Kann eines dieser Mikrobiome seine Aufgaben nicht (mehr) erfüllen, weil die entsprechenden Mikroorganismen fehlen, erkrankt der Mensch. Doch was zeichnet ein gesundes Mikrobiom aus? »Diese Frage ist nach wie vor nur sehr schwer zu beantworten«, sagte Schloter. Denn die Variabilität ist enorm, nicht nur interindividuell, sondern auch auf übergeordneter Ebene. So habe etwa 2014 eine Untersuchung gezeigt, dass sich die Bakterienprofile der Darmmikrobiome gesunder Probanden abhängig von der Weltregion, in der die Menschen leben, voneinander unterscheiden (DOI: 10.1016/j.cell.2014.07.019).
Hinzu kommt, dass die verschiedenen Mikrobiome auch dynamisch sein können, wenn sich die Umgebungsbedingungen ändern. Beispiel Darmmikrobiom: Für dieses macht es einen Unterschied, ob der Mensch gerade schläft oder sich bewegt, und erst recht, ob er etwas gegessen hat – und was. »Abhängig von den wechselnden Anforderungen an das Darmmikrobiom sind mal die einen Mikroorganismen wichtig, mal die anderen«, erklärte Schloter. Deshalb sei ein entscheidender Faktor für ein gesundes Darmmikrobiom seine Diversität.
Beste Bedingungen für eine möglichst diverse mikrobielle Lebensgemeinschaft im Darm ließen sich mit einer pflanzenbasierten, abwechslungsreichen, lokalen Kost schaffen, ergänzte Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Instituts für Umweltmedizin. Eine einseitige Ernährung mit einem hohen Fast-Food-Anteil sei dagegen nicht zu empfehlen, denn sie könne zu einer Verengung des Keimspektrums im Darm führen – und dadurch Allergien begünstigen, wie 2018 eine Untersuchung gezeigt habe (DOI: 10.1111/resp.13339).