Empfehlung zur frühen Allergenexposition hat sich bewährt |
Theo Dingermann |
21.10.2025 15:00 Uhr |
Erdnüsse und andere potenzielle Allergene sollten frühzeitig in die Beikost integriert werden, um Allergien vorzubeugen. Zum Beispiel kann Erdnussbutter in den Brei gemischt werden. / © Adobe Stock/Reicher
Mitte der 2010er-Jahre kam es in den USA zu einem Umdenken bei der Allergieprävention: Während früher auf die Vermeidung von potenziellen Allergenen bei Risikokindern gesetzt wurde, riet man nun in Leitlinien zu einer frühen Exposition. Die in den Jahren 2015 und 2017 erschienenen zunächst vorläufigen, später konkretisierten Empfehlungen basieren auf den Ergebnissen der Learning Early About Peanut Allergy (LEAP)-Studie. Diese hatte gezeigt, dass regelmäßiger früher Erdnussverzehr bei Säuglingen mit schwerer atopischer Dermatitis (AD) oder Ei-Allergie das Risiko einer Erdnussallergie um 81 Prozent reduzieren kann. Ob dies eine gute Empfehlung war, wurde nun in einer Studie untersucht, deren Ergebnisse im Journal »Pediatrics«, dem offiziellen Organ der American Academy of Pediatrics (AAP), publiziert wurden.
Die Studie sollte klären, ob die Raten von IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien – insbesondere die Erdnussallergie – nach der Einführung von Leitlinien zur frühen Nahrungsmittelgabe in den Jahren 2015 und 2017 tatsächlich gesunken sind. Die Forschenden um Professor Dr. Stanislaw Gabryszewski vom Children’s Hospital of Philadelphia werteten hierfür elektronische Gesundheitsdaten von etwa 120.000 Kindern aus.
Für jedes Kind, das in die Studie aufgenommen wurde, mussten Daten mindestens einer Vorsorgeuntersuchung im ersten Lebensjahr vorliegen. Eingeschlossen wurden Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren, die in einer von 31 akademischen und 17 privaten Kinderarztpraxen untersucht worden waren.
Die Forschenden definierten zunächst zwei Kohorten, eine »Prä-Leitlinien«-Kohorte, in die Kinder eingeschlossen waren, die zwischen September 2012 und Oktober 2014, also vor der Veröffentlichung der ersten Leitlinien (etwa August 2015) in die Studie aufgenommen wurden, und eine »Post-Leitlinien«-Kohorte, in der sich Kinder befanden, die zwischen September 2015 und August 2017 in die Studie aufgenommen wurden. Die Kinder wurden dann mindestens zwei Jahre lang hinsichtlich der Entwicklung einer Allergie beobachtet.
Zudem wurde eine zweite Analyse mit einem Beobachtungszeitraum von einem Jahr durchgeführt. Diese Analyse umfasste dieselben Kinder der ersten Untersuchung. Zusätzlich wurde aber auch noch eine 3. Kohorte von Kindern gebildet, in die Kinder nach der Veröffentlichung der Zusatzleitlinie, konkret zwischen Februar 2017 und Januar 2019, aufgenommen wurden.
Tatsächlich ließ sich im Vergleich zum Zeitraum vor Einführung der Leitlinien eine signifikante Abnahme der Raten an IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien zeigen. Für die Erdnussallergie zeigte sich eine Abnahme der Inzidenz von 0,79 Prozent auf 0,53 Prozent. Das entspricht einer Risikoreduktion von 35 Prozent (HR 0,65). Für beliebige IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien zeigte sich ein Rückgang der Inzidenz von 1,46 Prozent auf 1,02 Prozent, entsprechend einer Risikoreduktion von 31 Prozent (HR 0,69).
Nach Veröffentlichung der Zusatzleitlinie 2017 sank die Inzidenz einer Erdnussallergie weiter auf 0,45 Prozent, entsprechend einer Risikoreduktion von 45 Prozent (HR 0,55). Zudem nahm der Anteil von Kindern mit zwei oder mehr Allergien um 29 Prozent ab, während die Inzidenz für eine atopische Dermatitis im gleichen Zeitraum um 47 Prozent zunahm.
Somit bestätigen die Ergebnisse der Studie, dass das Prinzip der immunologischen Toleranz genutzt werden kann, wenn bereits Säuglinge mit allergenen Lebensmitteln konfrontiert werden. Dies gilt besonders für Risikokinder.
Andererseits fällt auf, dass trotz der Rückgänge die Effektstärken deutlich geringer ausfallen, als dies im Rahmen der LEAP-Studie, die die Entwicklung ja angestoßen hatte, beobachtet wurde. Dies führen die Forschenden nachvollziehbar auf die heterogene Umsetzung der Leitlinien in der Praxis zurück. Nur etwa 30 Prozent der Pädiater und 65 Prozent der Allergologen implementierten die Empfehlungen aus dem Jahr 2017 vollständig.
Dennoch liefert die Arbeit den bislang stärksten bevölkerungsbasierten Nachweis, dass die Empfehlung der frühen Nahrungsmittelgabe in den USA tatsächlich die Zahl klinisch diagnostizierter Lebensmittelallergien senken konnte. Besonders die additiven Effekte nach 2017 unterstreichen den Nutzen frühzeitiger Exposition gegenüber Erdnuss, Ei und Milch.
In Deutschland gelten ähnliche Empfehlungen: In der S3-Leitlinie Allergieprävention wird zur Prävention der Hühnereiallergie empfohlen, durcherhitztes Hühnerei mit der Beikost einzuführen und regelmäßig weiterzugeben. Die Empfehlung zur Erdnussgabe ist dagegen zurückhaltend formuliert: »In Familien mit bereits bestehendem regelmäßigem Erdnusskonsum kann zur Prävention einer Erdnussallergie bei Säuglingen mit atopischer Dermatitis die regelmäßige Gabe von erdnusshaltigen Nahrungsmitteln in altersgerechter Form (wie Erdnussbutter) mit der Beikost erwogen werden.« Vor der Einführung müsse aber insbesondere bei Säuglingen mit moderater bis schwerer AD eine klinisch relevante Erdnussallergie ausgeschlossen werden.