EMA empfiehlt Rücknahme von Crizanlizumab |
| Annette Rößler |
| 30.05.2023 15:00 Uhr |
Bei Patienten mit der Erbkrankheit Sichelzellanämie nehmen die roten Blutkörperchen bei Sauerstoffmangel eine charakteristische Form an, die an eine Sichel erinnert. Sie können miteinander verklumpen und kleine Blutgefäße verstopfen. / Foto: CDC
Crizanlizumab (Adakveo®) ist ein monoklonaler Antikörper, der die Interaktion zwischen dem Zelladhäsionsprotein P-Selektin und dessen Liganden blockiert. Seit 2020 ist es in der EU zugelassen zur Prävention wiederkehrender vasookklusiver Krisen (VOC) bei Patienten ab 16 Jahren mit Sichelzellanämie. Die damals vorliegenden Studiendaten belegten zwar die Wirksamkeit von Crizanlizumab, allerdings war die Evidenz nicht sehr robust und das Ausmaß des Effekts nicht ganz klar. Die EMA verlangte daher von Hersteller Novartis, die vorhandenen Evidenzlücken mit einer weiteren Studie zu schließen.
Diese hieß STAND und ist mittlerweile abgeschlossen und ausgewertet. Das Ergebnis ist keine Bestätigung der positiven Daten, die zur Zulassung führten. Im Gegenteil: Unter Crizanlizumab hatten Patienten in der STAND-Studie im ersten Behandlungsjahr durchschnittlich 2,5 schmerzhafte VOC mit anschließendem Arztbesuch, unter Placebo nur 2,3. VOC, die eine Eigenbehandlung oder einen Arztbesuch erforderlich machten, waren es unter Crizanlizumab durchschnittlich 4,7 versus 3,9 unter Placebo.
Weder Daten aus anderen Studien, aus dem Härtefallprogramm noch aus der Anwendung außerhalb von Studien waren aus Sicht des Ausschusses für Humanarzneimittel der EMA dazu geeignet, die negativen Wirksamkeitsergebnisse der STAND-Studie aufzuwiegen. Die EMA betont, dass es keine neuen Warnsignale bezüglich der Sicherheit von Crizanlizumab gebe. Angesichts der nicht eindeutig nachgewiesenen Wirkung überwögen allerdings die Vorteile von Crizanlizumab nicht mehr länger seine Nachteile. Daher empfiehlt die Behörde, die Zulassung des Medikaments zu widerrufen.
Sollte die EU-Kommission der Empfehlung folgen, werden Heilberufler gegebenenfalls über die Modalitäten der Marktrücknahme informiert werden. Ärzte sind bereits jetzt dazu aufgerufen, keine neuen Patienten mehr auf Crizanlizumab einzustellen und mit diejenigen, die Adakveo anwenden, Alternativen zu besprechen.