Ein Wirkstoff, zwei Indikationen |
Kerstin A. Gräfe |
03.08.2023 07:00 Uhr |
Die Zulassung bei AML erfolgte auf Basis der Phase-III-Studie AGILE mit 200 Patienten, die randomisiert Azacitidin entweder mit oder ohne Ivosidenib erhielten. Als primärer Endpunkt war das ereignisfreie Überleben definiert. Die Studie wurde frühzeitig beendet, da sich ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Wirksamkeit zeigte.
Die Hinzunahme von Ivosidenib führte zu einer signifikanten Verlängerung des ereignisfreien Überlebens (HR = 0,33; p = 0,002) und des Gesamtüberlebens (HR = 0,44; p < 0,001). Im Durchschnitt konnte das Gesamtüberleben von 7,9 Monaten unter Azacitidin plus Placebo auf 24 Monate unter Azacitidin plus Ivosidenib verdreifacht werden.
Die häufigsten hämatologischen Nebenwirkungen von Grad ≥ 3 waren Anämie, Neutropenie sowie febrile Neutropenien. Übelkeit und Erbrechen sowie Blutungsereignisse zählten zu den häufigsten nicht hämatologischen Nebenwirkungen über alle Schweregrade hinweg.
Sicherheit und Wirksamkeit in der Indikation Cholangiokarzinom belegte Ivosidenib in der Phase-III-Studie ClarIDHy an 187 Patienten. Die Patienten erhielten randomisiert entweder einmal täglich 500 mg Tibsovo oder Placebo. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Unter Ivosidenib kam es mit 2,7 Monaten zu einer signifikanten Verbesserung des PFS verglichen mit 1,4 Monaten unter Placebo.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Müdigkeit, Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall, verminderter Appetit, Aszites, Erbrechen, Anämie und Hautausschlag.
Mit Ivosidenib ist ein weiteres Medikament für die zielgerichtete Krebstherapie auf den Markt gekommen. Es handelt sich um den ersten in Deutschland verfügbaren IDH1-Inhibitor und damit die erste zielgerichtete Therapie für IDH1-mutierte Tumorerkrankungen. Schon dieser neue Wirkmechanismus verdient die vorläufige Bewertung als Sprunginnovation.
Aber auch die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Studien zeigen, dass Patienten immens von der Therapie mit Ivosidenib profitieren können, was die Einstufung des neuen Wirkstoffs zusätzlich rechtfertigt. Wichtig ist, dass die entsprechende Mutation vorher nachgewiesen wurde. Leider kommen längst nicht alle Patienten für die Therapie mit Ivosidenib infrage. Nur etwa jeder zehnte AML-Patient weist in den leukämischen Zellen Mutationen der IDH1 auf. Diese Patienten können dann aber sehr von der neuen Therapieoption profitieren. Bei weiteren 10 Prozent der AML-Patienten ist übrigens das Enzym IDH2 mutiert, das durch den in den USA bereits zugelassenen Arzneistoff Enasidenib gehemmt wird. Möglicherweise wird dieser Arzneistoff dann eines Tages auch in Deutschland im Handel sein.
Beim Gallenwegskarzinom (CCA), der zweiten Indikation von Ivosidenib, sind die therapeutischen Optionen ab der Zweitlinie ohnehin überschaubar, sodass die zielgerichtete Therapie mit dem Neuling ein wichtiger Fortschritt ist. Das belegen die überzeugenden Studiendaten. Zu bedenken auch an dieser Stelle: Auch das CCA ist ein Tumor mit hoher genomischer Heterogenität. Die IDH1-Mutation ist zwar die häufigste Veränderung beim intrahepatischen CCA, allerdings auch nur mit einem Anteil von 15 bis 20 Prozent.
Gut möglich, dass zukünftig noch andere Indikationen für Ivosidenib hinzukommen werden. Es wird derzeit in einer Reihe von klinischen Studien bei verschiedenen Tumoren mit IDH1-Mutation getestet.
Sven Siebenand, Chefredakteur