Ein Streit um Boni und Schadenersatz |
Cornelia Dölger |
31.07.2025 12:24 Uhr |
Der Bundesgerichtshof hat sich heute erneut mit Rx-Boni befassen müssen. / © PZ/Dölger
Ob die einstweiligen Verfügungen, die die Kammer gegen Doc Morris seinerzeit erhoben und durchgesetzt hatte, rechtmäßig waren, war heute die Frage vor dem I. Zivilsenat des BGH. Ausgangspunkt des Streits sind vergangene Werbeaktionen des Versenders aus dem niederländischen Heerlen. Ab 2012 hatte Doc Morris verschiedene Rabattaktionen angeboten. Sie umfassten sowohl direkte Prämien für die Rezepteinlösung als auch Boni auf spätere OTC-Einkäufe.
Dagegen ging die Kammer Nordrhein vor und erwirkte besagte einstweilige Verfügungen beim Landgericht Köln, das die Werbeaktionen jeweils untersagte. Weil Doc Morris trotzdem weitermachte, setzte die Kammer sogar in mehreren Fällen vor Gericht Ordnungsgelder durch. Doch der Versender vertraute erfolgreich darauf, dass das Eintreiben jenseits der Grenze zu aufwändig war, und zahlte die rechtskräftig verhängten Ordnungsgelder einfach nicht.
Dann entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2016, dass die damals im Arzneimittelgesetz (AMG) verankerte Rx-Preisbindung für EU-Versender nicht gilt. Doc Morris holte zum Gegenschlag aus und klagte vor dem Landgericht Düsseldorf auf Schadenersatz gegen die Kammer.
Der Versender wollte von der Kammer vermeintliche wirtschaftliche Verluste in Millionenhöhe ersetzt bekommen; schließlich habe der EuGH mit seinem Grundsatzurteil Bonusaktionen für zulässig befunden, weshalb die Verbote von Anfang an ungerechtfertigt gewesen seien. Doc Morris verlangt 18 Millionen Euro Schadenersatz.
Der Vorsitzende Richter beim BGH ließ heute allerdings durchblicken, dass der Senat vier der fünf Verfügungen für gerechtfertigt hält. Streitig sind Maßnahmen gegen fünf Doc-Morris-Werbeaktionen zwischen 2013 und 2015. Und wie der Richter treffend feststellte: »Es ist kompliziert.«
Zum Unionsrecht kommt in den Fällen das nationale Recht in Form des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) hinzu. § 7 Absatz 1 HWG untersagt Werbung im Zusammenhang mit Arzneimitteln hierzulande. Der Zweck: Für Arzneimittel als besonderes Gut sollen keine Kaufanreize gesetzt werden. Allerdings sind Ausnahmen möglich sowie Ausnahmen von den Ausnahmen, was die Sache nicht leichter macht.
Die Doc-Morris-Seite räumte heute allerdings ein, dass sie zwei der Streitpunkte fallenlassen werde. »Da wollen wir uns sicherlich jetzt nicht mehr verkämpfen und das weiter verfolgen«, so der Rechtsanwalt. Die Punkte hatte der EuGH bereits im Februar als europarechtswidrig eingestuft, weil sie gegen den EU-Arzneimittelkodex verstießen.
Allerdings betonte die Doc-Morris-Seite, dass Preiswettbewerb von EU-Seite doch durchaus gewollt sei. Dieser solle auch über Barrabatte hinausgehen. Solche hatte der EuGH als unionsrechtskonform eingestuft. Sie schlössen allerdings die von der Zuzahlung befreiten Patienten nicht ein, so die Rechtsanwältin. Daher müsse es auch Gutschriften geben.
Der Richter erwiderte, dass der EuGH nicht jeden Preiswettbewerb freigeben wolle. Etwa müssten Gewinnspiele demnach nicht möglich sein. »Der Wettbewerb findet doch statt, indem der Preis unmittelbar gesenkt wird. Alles andere trägt das Argument der Unsachlichkeit in sich.«
Wie kleinteilig der Streit über die Zulässigkeit der Verfügungen und damit über die Frage nach dem Anspruch auf Schadenersatz geworden ist, zeigte die längere Einlassung von Richter und Kammerseite zu einer Formulierung im Kleingedruckten einer Reklameaktion. An dem Wort »oder« werde zu entscheiden sein, ob die Aktion unerlaubte Werbung darstelle oder nicht. Konkret ging es um einen Gutschein von 10 Euro bei Rx-Rezepteinsendung, die sofort abgezogen werden – oder aber nur bei gleichzeitiger bei OTC-Bestellung ab einem bestimmten Eurowert.
Angesichts des komplexen Sachverhalts erschien heute eine Klärung in einiger Ferne. Ein Urteil gab es mithin noch nicht, allerdings soll der Termin für die Urteilsverkündung heute bekannt gegeben werden.