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20 Jahre Viagra

»Ein Quantensprung in der Sexualmedizin«

Muss ein Mann immer können, um ein richtiger Mann zu sein? Über diese Frage wird in Deutschland auch 20 Jahre nach dem Verkaufsstart der Potenzpille Viagra selten diskutiert, schon gar nicht unter Männern. Als Segen sehen Mediziner die Tablette, die am 1. Oktober 1998 auf den deutschen Markt kam, trotzdem.
25.09.2018  14:23 Uhr

Der Leistungsdruck ist beim Sex nicht raus«, sagt der Hamburger Männerarzt Robert Frese, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Der Anspruch habe sich im Prinzip nur verschoben. »Jetzt heißt es: Nimm doch die Pille. Wenigstens mit der musst du immer können.«

Für Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit, folgte mit Viagra eine Art Quantensprung in der Sexualmedizin. Die Schamschwelle, über ein drückendes Sex-Problem zu sprechen, sank. Der Wirkstoff Sildenafil, dessen ungeahnte Wirkung Pharmaforscher der Firma Pfizer zufällig in den USA entdeckten, machte der Ratlosigkeit der Ärzte beim Thema Erektionsstörungen ein Ende. Und Viagra gab den Anstoß dafür, dass sich ein Stiefkind der Forschung bis heute zu einer neuen Wissensbastion entwickelte.

Männerarzt Frese kann sich noch gut an die Zeit vor Viagra erinnern. «In den Erektionssprechstunden ging es mitunter furchtbar rustikal zu», sagt er. Hinter dem Sarkasmus habe auf ärztlicher Seite aber auch viel Frust über die mangelnden Therapiemöglichkeiten bei erektiler Dysfunktion gesteckt, erinnert sich Frese. Sie konnten Patienten eine Operation vorschlagen, Vakuumpumpen mit Penisringen oder eine Spritze kurz vorm Sex.

Thema raus aus der Tabuzone

«Bevor sich deutsche Männer eine Spritze in den Penis jagen, verzichten sie lieber auf Sex», sagt Mediziner Sommer. Auch Operationen seien hierzulande wesentlich unbeliebter als zum Beispiel in den USA. Und Pumpen samt Penisring verstaubten meist schnell in einem Versteck. Auch deshalb habe Viagra eine solch durchschlagende Wirkung gehabt: endlich was Einfaches.

Etwas Besseres als die vielen Titelstorys und Talkshows in der Anfangszeit von Viagra habe gar nicht passieren können, ergänzt der Arzt. «Vorher wurde doch in der Öffentlichkeit kaum über Erektionsstörungen geredet.» Mit einem Schlag sei dieses Thema aus der Tabuzone gekommen. Heute ist bekannt, dass in Deutschland rund 20 Prozent aller Männer nicht können, wie sie wollen. «Mit jeder Altersdekade nimmt das Problem zu», zitiert Sommer Umfragen. Zwischen 40 und 50 sei rund jeder Zehnte betroffen, über 70 bereits mehr als die Hälfte der Männer.

Einige Studien räumten auch mit Binsenweisheiten auf. «Vor Viagra ist man davon ausgegangen, dass bis zu 90 Prozent der Fälle psychisch bedingt sind», berichtet Sommer. «Heute weiß man, dass es umgekehrt ist. Zuerst sind organische Probleme da.»

Herzinfarkt nach Viagra! – Solche Schlagzeilen sorgten Ende der 1990er Jahre auch für Panik. Heute sind die Zusammenhänge bekannt. Wer nach dem Schlucken der Pille den Herztod starb, hatte vorher in der Regel Herzprobleme, von denen er nichts ahnte. Riskant war nicht die Tablette, sondern die körperliche Anstrengung, die sie ermöglichte. «Für Sex muss man einen gewissen Fitnessgrad besitzen», erläutert Sommer. «Mit Herzinsuffizienz kann ich eine solche Leistung nicht schaffen, ohne mich in Gefahr zu bringen.»

Neue Chance für Früherkennung

Auch deshalb gibt es Viagra – und seit Auslaufen des Patentschutzes auch kostengünstigere Generika – nur auf Rezept. «Die Tabletten sind extrem sicher», sagt Robert Frese. Doch ein verantwortungsvoller Arzt checke seinen Patienten vor einer Verschreibung durch. Hinter Erektionsstörungen könnten neben Herzleiden auch Diabetes, Depressionen, Bluthochdruck oder Prostataprobleme stecken. Da deutsche Männer generell als Arztmuffel gelten, sieht Frese eine neue Chance für Früherkennung. «Über das Thema Sexualität lassen sich Männer sehr gut abholen», sagt er. «Und manche, die Viagra wollen, gehören erst einmal zum Kardiologen.»

Bei Frauen hilf Viagra nicht. Warum? Mediziner sind sich einig, dass Sexualität bei Frauen so komplex ist, dass ein einzelner Wirkstoff dies nicht verändert. Darüber hinaus gelten Frauen beim Thema Sex als gelassener. Den größten Druck machten sich die Männer weiter selbst, sagt Mediziner Frese. Tradierte Haltungen spielten dabei sicher eine Rolle. «Das Problem sitzt in den Köpfen der Männer: Die meisten wollen die Penetration», sagt Frese. Ein Mann sei aber auch viel stärker auf eine körperliche Reaktion angewiesen als eine Frau, ergänzt er. «Klassischer Geschlechtsverkehr geht eben nur mit einer Erektion.» (dpa)

Foto: Fotolia/Kitty

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