Ein neues Breitband-Krebstherapeutikum? |
Theo Dingermann |
04.08.2023 16:30 Uhr |
Das betont auch der Chemiker Dr. Derek Lowe in einem Kommentar im Journal »Science«. AOH1996 wirkte demnach in präklinischen Toxizitätstests an zwei Tierarten (Mäusen und Hunden) selbst bei einer sechsfach höheren Dosis als der wirksamen Dosis kaum toxisch. Hinsichtlich der Wirksamkeit lag in Zellversuchen die Konzentration für eine 50-prozentige Wachstumshemmung bei 70 verschiedenen Krebszelllinien im Durchschnitt bei etwa 300 nM, während sich bei verschiedenen Nicht-Krebslinien für Konzentrationen bis zu 10 µM keine toxischen Wirkungen zeigten. Sensitive Zellen reagierten mit Zellzyklus-Stillstand, Replikationsstress und Apoptose. Und die Anwendung von AOH1996 zusammen mit anderen bekannten Chemotherapeutika erhöhte die Sensitivität der Zellen gegenüber diesen Substanzen noch einmal deutlich, berichtet Lowe.
Deutlich kritischer äußert sich dagegen Professorin Dr. Dorothy Bennett, Director of the Molecular and Clinical Sciences Research Institute der University of London ,beim »Science Media Centre«. Zwar hält auch sie die Studie von Gu und Kollegen für interessant, da sie einen relativ neuen Ansatz zur gezielten Bekämpfung von Krebszellen untersucht. Sie zeigt sich aber enttäuscht, dass die Behauptung, der Anti-PCNA-Wirkstoff würde »Krebszellen abtöten«, nur begrenzt zutreffe. Denn Daten, aus denen die Tötungsraten von Zellen beziehungsweise der Verlust der Koloniebildung, also der Teilungsfähigkeit hervorgingen, würden nur für drei menschliche Neuroblastomlinien vorgelegt. Diese zeigten zudem, dass nur einige und keinesfalls alle Zellen pro Kultur abgetötet würden.
Alle anderen Daten bezögen sich auf eine Verringerung des Wachstums und zeigten nicht einmal, dass das Nettowachstum der Kultur gestoppt würde, so die Expertin. Ebenso zeigen Tests an implantierten menschlichen Tumoren in Mäusen keine Zelltötung durch AOH1996, sondern eine Verlangsamung des Tumorwachstums bei drei Tumortypen.
Positiv zu vermerken sei allerdings, dass es offenbar breite Belege dafür gebe, dass dieser Wirkstoff das (in vitro)-Wachstum zahlreicher menschlicher Krebszelllinien verschiedener Typen hemmt und mehrere normale Zelltypen kaum schädigt, was lohnend machen sollte, den Ansatz weiter zu verfolgen.