Ein 3-D-Drucker in jeder Apotheke? |
Daniela Hüttemann |
09.10.2019 17:00 Uhr |
Spritam® ist bislang das einzige Arzneimittel mit Zulassung, das mit einem 3-D-Druckverfahren hergestellt wird. Die schnell zerfallenden Tabletten sind bereits für Epilepsie-Patienten ab vier Jahren in den USA zugelassen. In Deutschland ist das Medikament nicht auf dem Markt. / Foto: Aprecia Pharmaceuticals
Fakt ist: Die Technologie ist da und wird bereits eingesetzt. Im Frühjahr dieses Jahres gelang es israelischen Forschern, ein menschliches Miniherz zu drucken. Amerikanische Wissenschaftler stellten Blutgefäße und Luftwege wie in einer Lunge her. Die Hoffnung ist groß, in Zukunft auf diese Art und Weise Spenderorgane zu erzeugen. Aber auch für die Galenik ist der 3-D-Druck interessant.
Bereits 2015 hat die US-Arzneimittelbehörde FDA ein erstes Arzneimittel aus dem 3-D-Drucker zugelassen: Die Levetiracetam-haltige Tablette Spritam® der Firma Aprecia. Der Vorteil ist, dass sie bei Zugabe von Flüssigkeit in Sekundenschnelle zerfällt und die Wirkung schneller eintritt als bei herkömmlichen Levetiracetam-Tabletten. Spritam wird mit dem ZipDose-Verfahren gedruckt: Dabei wird die Tablette schichtweise erzeugt, indem immer wieder ein Klebemittel auf eine wirkstoffhaltige Pulverschicht aufgebracht wird. »Das Arzneimittel wird aber in einer Fabrik hergestellt, nicht in der Apotheke«, betonte Michael Anisfeld, Präsident der Beratungsfirma Globepharm Consulting aus Chicago, USA. Er gilt als führender Experte im Bereich Good Manufacturing Practice (GMP). Wenn überhaupt, sei der 3-D-Druck aufgrund seiner vielen zu beachtenden Parameter eher eine Technik für die Pharmaindustrie unter kontrollierten Bedingungen, nicht aber für jede öffentliche Apotheke, sagte Anisfeld.
Vorteile der 3-D-Tabletten seien die Möglichkeiten, Polypillen mit mehreren Wirkstoffen herzustellen, passgenaue Dosierungen und Freisetzungskinetiken sowie kurze Produktionsläufe. Dem stehen jedoch einige ungeklärte Fragen gegenüber, allen voran nach Qualität und Produkthaftung. Bislang gibt es keine international anerkannten regulatorischen Vorgaben, wie Herstellung und Qualitätskontrolle auszusehen haben.
Das liegt unter anderem daran, dass es nicht den einen 3-D-Druck gibt. Vielmehr ist mittlerweile eine Vielzahl von Geräten mit unterschiedlichen Drucktechniken im Einsatz, wie Dr. Mary Kyobula von Astra-Zeneca erläuterte. Die Chemikerin sieht ebenfalls noch regulatorische Hürden, glaubt jedoch an das große Potenzial des 3-D-Drucks in der Apotheke für die personalisierte Medizin. Denn die Verfahren seien viel flexibler als das herkömmliche Tablettenpressen. »Beim 3-D-Druck braucht es nur Minuten, um die Parameter und damit Dosis und Freisetzungskinetik der Tablette zu adjustieren«, erklärte Kyobula. So könnten beispielsweise individuelle Tabletten für Kinder, Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Ultraschnell-Metabolizern in kurzer Zeit hergestellt werden, während der Patient in der Apotheke wartet.
Der spanische Krankenhausapotheker Dr. Josep Guiu Segura von der Universität Barcelona sieht auch Vorteile bei komplexen Therapieregimen, Wirkstoffen mit niedrigem therapeutischem Index oder Orphan Diseases. Die Adhärenz könne mit kleineren Arzneiformen und durch die angepasste Dosis bessere Verträglichkeit sowie individuelle Polypillen verbessert werden. In die obersten Schichten könnte sogar ein QR-Code eingebracht werden, um die Fälschungssicherheit zu gewährleisten. Er glaubt jedoch nicht, dass in Zukunft wieder jeder Apotheker zum pharmazeutischen Technologen werde, sondern Apotheker im Team mit biomedizinschen Ingenieuren im Krankenhaus arbeiten werden.
Dr. Ahmed Zidan von der FDA sieht ebenfalls eine Chance für Tabletten aus dem 3-D-Drucker im Bereich besonders niedrig dosierter Wirkstoffe und der personalisierten Arzneimitteltherapie. Es könnten Faktoren wie Alter, Gewicht, Größe, Nierenfunktion, Geschlecht und Ethnie berücksichtigt werden. Herstellung und Qualitätskontrolle seien jedoch alles andere als banal. Zidan arbeitet als Pharmakologe am Center for Drug Evaluation and Research der FDA und beschäftigt sich dort mit dem 3-D-Druck aus regulatorischer Sicht. »Noch ist unklar, wie wir die Qualität garantieren können«, so seine Einschätzung. »Die Technik steckt noch in den Kinderschuhen. Der 3-D-Druck in der Arzneimittelherstellung wird kommen, nicht in den nächsten fünf Jahren, aber vielleicht in den nächsten zehn bis 15 Jahren.«