Editorial
von Gisela Stieve
Stellvertretende Chefredakteurin
Die Krankenkassen wollen nach wie vor den Versandhandel für Arzneimittel. Das ist
sicher, auch wenn es zu ihrer Strategie gehört, sich vorläufig mehr im Hintergrund zu
halten. Den neuen Distributions- und Vertriebsweg zu bewerben und zu pushen, ist
jetzt nicht angesagt. Das tun andere, und die Krankenversicherer beobachten das
mit Genugtuung.
Ein Fürsprecher der angeblich so günstigen und sicheren Vertriebsschiene ist der
Direktor des Schweizer Versandhandelsunternehmens Mediservice, Jean Pierre
Krähenbühl. Er ist von seiner Sache überzeugt und redet viel über die Vorteile der
Packungen per Post: spart Kosten, ist bequem und sicher, diskret und portofrei.
Mit Medikamentenversand lassen sich aber nur dann Einsparungen erzielen, wenn
die Arzneimittelpreisverordnung fällt, halten die öffentlichen Apotheker zu Recht
dagegen. Davon kann zur Zeit nicht die Rede sein, nachdem der
Bundeswirtschaftsminister die Novellierung zur Arzneimittelpreisverordnung
vorgelegt hat. Schließlich ist das auch nur die finanzielle Seite der Medaille. In
Deutschland setzen die Apotheker immer noch auf Arzneimittelsicherheit, die ein
Qualitätskriterium sine qua non ist. In Apotheken wird nicht geschachert, sondern
Arzneimittelsicherheit praktiziert, indem pharmazeutisch ausgebildete Personen das
Medikament dem Patienten aushändigen - mit Beratung. Und das auch nachts und
am Wochenende und wenn, wie kürzlich in Frankreich, Streiks den öffentlichen
Verkehr lahmlegen und damit auch das Versandgeschäft mit Medikamenten.
Gute Arzneimittelversorgung ist zudem ein Gegenwert, den die Versicherten im
Krankheitsfall für ihre Beiträge erwarten. Mit diesem Vertrauen sollten die Kassen
nicht spielen.
Letztlich ist es keine organisatorische, sondern ausschließlich eine politische Frage,
ob die Medikamentenabgabe den Apotheken vorbehalten bleiben soll. Die Antwort
hat der Bundesgesundheitsminister schon gegeben: kein Versandhandel mit
Arzneimitteln in Deutschland. Dieses politische Credo, enthalten im Entwurf der 8.
Novelle zum Arzneimittelgesetz, soll Gesetz werden und die Argumentation auf
Europaebene stärken. Das ist Qualitätssicherung im Sinne des Patienten.
"Als beratungsintensiver Apotheker habe ich keine Angst vor Versandhandel",
erklärte unlängst ein Besucher der Fortbildungsveranstaltung der
Landesapothekerkammer Hessen, bei der das Schweizer Modell vorgestellt wurde.
Gut so. Wem Beratung allerdings zu viel ist, wird damit rechnen müssen, daß die
Patienten ihre Konsequenzen ziehen. Auch wenn Apothekern ein gutes Image
bestätigt wird, ist die einzelne Apotheke längst kein Selbstläufer mehr, sondern ein
Dienstleistungsbetrieb im Gesundheitswesen mit durchaus selbstregulierenden
Marktkräften.
Die Apotheker haben zwar nicht viele Argumente gegen den Versandhandel, dafür
aber gute. Und darauf kommt es an. Wir bleiben dabei: Zum persönlichen Kontakt
zwischen Patient und Apotheker gibt es keine Alternative.

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