Pharmazeutische Zeitung online

Heiße Luft

15.10.2001  00:00 Uhr

Heiße Luft

Glaubt man den Verlautbarungen von Berufsvertretern der Ärzte, des Pharmagroßhandels und der pharmazeutischen Industrie, so wird es in der Zukunft keine sichere Arzneimittelversorgung der Patienten mehr geben. Ahnungslose Patienten fallen dann nämlich der Aut-idem-Auswahl von Pharmazeuten zum Opfer, die ihnen Medikamente mit unterschiedlichen Bioäquivalenzen, unterschiedlichen Tablettenfarben und was noch schlimmer ist, mit unterschiedlichen Packungsdesigns mitgeben. Dies beeinträchtige die Compliance nachhaltig. Gar nicht auszudenken, was passieren könne, wenn der Apotheker aus lauter Geldgier ein Produkt mit einem anderen Hilfsstoff abgibt und der Patient hierauf hektisch seine Therapie aus Verunsicherung abbricht oder eine mit anderem Pressdruck erzeugte Tablette eine etwas andere Freisetzungskinetik zeigt.

Dies alles ist natürlich blanker Unsinn. Wer die weitgehend von galenischem Wissen ungetrübten Verordnungsgewohnheiten der Mediziner beobachtet, weiß, wie die pekuniären Aspekte des Arzneimittelbudgets oben behauptete Szenarien als reine Phrasen entlarven. Jeder Apotheker kennt Patienten, die im Quartalstakt von diesem auf jenes Generikum umgestellt werden, weil der verordnende Arzt ein noch billigeres Präparat aus seiner Praxis-EDV herausgekitzelt hat. Es fällt schwer, hier eine moralische Verantwortung ärztlicher Therapie zu erkennen - von hehren Überlegungen bezüglich der Compliance ganz zu schweigen.

Einer ernsthaften Diskussion dieser Argumente dürfen sich die Apotheker trotzdem nicht verschließen. Was ist also dran an dem Argument, dass die Bioäquivalenz nicht gewährleistet sei, wenn dem Apotheker die Arzneimittelauswahl anheim gestellt wird? Nichts, die Pharmakokinetik des Präparats muss bereits bei der Zulassung nachgewiesen sein. Außerdem werden in der Anlage des AMG für Wirkstoffe mit problematischen Eigenschaften Bioverfügbarkeitsnachweise vorgeschrieben.

Wenn also weder Bioäquivalenz noch Compliance-Probleme der Grund für die Ablehnung einer Aut-idem-Regelung sein können, so ist es vielleicht der Wegfall des Ärztemustersystems? Es ist verwunderlich, dass ausgerechnet Ärzte und Pharmaindustrie der Politik und den Kassen vorgaukeln, so könne das Budget geschont werden. Abgesehen von der ordnungspolitischen "Bagatelle", dass das Dispensierrecht der Apotheker ausgehöhlt wird und der Tatsache, dass ein Einsatz von Mustern in diesem Umfang (nach Angaben der Generikahersteller im Wert von 1,6 Milliarden DM) gemäß § 47 (4) AMG nicht legal ist, kann man wirklich nur staunen, dass gerade die wirtschaftlich ausgeschlafenen Mediziner Ärztemuster für ein Beispiel industrieller Selbstlosigkeit halten. Natürlich sind die Kosten für Ärztemuster in die Preise der nachfolgend verordneten Packungen zu Lasten der GKV eingerechnet. Ein Wegfall der Ärztemuster wäre also ein Nullsummenspiel. Wer mit einem solchen Argument aufwartet, kann in der gegenwärtigen Diskussion, die wirkliche Entscheidungen und keine Nebelkerzen braucht, nicht ernst genommen werden.

Wenden wir uns also dem vierten Argument der momentanen Diskussion zu, der ärztlichen Therapiefreiheit: Genau analysiert bleibt die postulierte Einschränkung der Therapiefreiheit ebenso nebulös wie alles Bisherige, denn niemand seitens der Bundesregierung fordert, den Ärzten die Wirkstoffverordnung aus der Hand zu nehmen und einzig und allein diese stellt im generikafähigen Bereich die eigentliche therapeutische Entscheidung dar. Dem Apotheker obliegt lediglich die unter wirtschaftlichen Aspekten zu treffende Auswahl von therapeutisch äquivalenten Arzneimitteln. Das unter diesen meist kein klinisch relevanter Unterschied besteht, ist Konsens. Last but not least: Wenn irgend jemand im Gesundheitswesen etwas von Galenik und Biopharmazie versteht, dann sind das die Apotheker und keineswegs die Ärzte.

Aut-idem bedeutet auch das Tragen der damit verbundenen wirtschaftlichen und haftungsrechtlichen Verantwortung. Die Apotheker sind hierzu bereit. Jetzt so zu tun, als wären bei einer Aut-idem-Regelung keine wirtschaftlich Verantwortlichen mehr auszumachen, ist Propaganda.

Bei so viel gezielter Desinformation kann man nur hoffen, dass die Entscheidungsträger in der Politik erkennen, dass ein Teil der Lösungen der Probleme des Gesundheitssystems darin besteht, mit dem Arzneimittel zu sparen und nicht am Arzneimittel. Die Apotheker haben hierzu ihre Vorschläge wie Pharmazeutische Betreuung, Arzneimittelpass sowie Aut-idem unterbreitet. Man kann sich nur wünschen, dass die Politik endlich die Fachkenntnisse des Arzneimittelfachmanns im Gesundheitswesen nutzt - des Apothekers.

Götz Schütte
Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen
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