Viele offene Fragen |
09.09.2002 00:00 Uhr |
Wer gehofft hatte, die beiden „Rededuelle“ zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund Stoiber könnten Klarheit schaffen, der ist sicher enttäuscht worden. Das war auch nicht zu erwarten. Die Strategien beider Volksparteien war nicht auf Festlegung ausgerichtet, sondern darauf, möglichst viele Fragen offen zu lassen.
Trotzdem konnten aus den beiden in den Medien hoch gepushten Streitgesprächen Erkenntnisse gewonnen werden. Die wichtigste Botschaft für die Heilberufe: Gesundheitspolitik spielt nur eine untergeordnete Rolle. Denn sie wurde nur als Nebensache angesprochen. Konkret wurde weder der Kanzler noch sein Herausforderer. Sicher hat Stoiber Recht, wenn er behauptet, dass die Senkung der Arbeitslosenzahlen auch die Einnahmesituation der Gesetzlichen Krankenversicherung verbessern würde. Auch Schröder lag richtig mit seiner Bemerkung, dass die Krankenkassen die Beiträge festsetzen. Damit haben aber beide lediglich die politische Verantwortung für die Gesundheitspolitik und die zukünftige Finanzierung des Gesundheitswesens elegant weiter gegeben, wohl wissend, dass die aktuelle Situation von der Politik durch Sozialgesetze geschaffen wurde.
Ich kann beiden Kandidaten nur empfehlen, den Abschlussbericht der Enquete-Kommission zur demographischen Entwicklung und seinen Auswirkungen zu lesen. Dort steht, dass schon auf Grund der zukünftigen Altersstruktur in Deutschland das Gesundheitswesen mit dem bisherigen Beitragssystem nicht mehr zu finanzieren ist und die Politik gezwungen sein wird, dem Versicherten mehr Eigenverantwortung abzuverlangen. Zu einer solchen Aussage waren aber beide nicht bereit.
Eine zweite Erkenntnis für die Apothekerinnen und Apotheker aus den Rededuellen war, dass die jetzige Regierung am Mittelstand kein großes Interesse hat. Das Wahlversprechen von Schröder von 1998, eine neue Mitte zu schaffen, ist ein Flop. Seine Aussagen zum Arbeitsmarkt in Deutschland, dort stünden die Interessen des Kapitals den Interessen der Arbeitsnehmer und der Gewerkschaften gegenüber, lässt keinen Platz für mittelständische Unternehmen wie Apotheken.
Eine dritte Erkenntnis war für den aufmerksamen Beobachter sehr interessant. Als die Frage nach den zukünftigen Ministern gestellt wurde, würdigte Schröder mit keinem Wort die Arbeit seiner Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Alle anderen SPD-Ministerinnen wurden namentlich erwähnt und ihre erneute Ernennung in Aussicht gestellt.
Das muss als Zeichen für ein Kabinett unter einem wiedergewählten Bundeskanzler Schröder gewertet werden und bedeutet das Aus für Ulla Schmidt.
Da Schröder sich auch in der Koalitionsfrage trotz mehrfacher Betonung, rot-grün fortsetzen zu wollen, auch andere Kombinationen offen ließ, ist es gar nicht so abwegig, auch mit einem Bundesgesundheitsminister Jürgen Möllemann zu rechnen.
Es ist also noch vieles offen, vor allem der Ausgang der Wahl am 22. September.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
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