Zugzwang |
23.07.2001 00:00 Uhr |
Wer geglaubt, gehofft oder auch befürchtet hat, dass Institut für die Arzneimittelverordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung sei mit der Erstellung der "Vorschlagsliste verordnungsfähiger Arzneimittel" nach § 33 a SGB V überfordert, wurde nun eines Besseren belehrt. Anfang der vergangenen Woche erhielten alle Fachgesellschaften und Verbände die knapp 300 Seiten umfassende Vorschlagsliste mit der Aufforderung bis zum 14. September Stellungnahmen abzugeben.
Damit ist aus meiner Sicht wieder Bewegung in die Gesundheitspolitik gekommen. Die Taktik von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Entscheidungen bis nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr aufzuschieben, scheint nicht aufzugehen. Mit der Liste wird man sich beschäftigen müssen, ob man will oder nicht. Und damit haben wieder diejenigen Oberwasser bekommen, die Aktivitäten in der Gesundheitspolitik schon vor der Wahl verlangen. Dazu gehören unter anderen der Wirtschaftsminister Werner Müller, der mit seiner These zur "Teilprivatisierung" der Krankenversicherung die Diskussion angeheizt hat. Dazu gehört auch der Vorsitzende von Bündnis90/Die Grünen Fritz Kuhn, der ebenfalls auf eine schnelle Reformierung des Gesundheitswesens drängt.
Seine Euphorie zur vorgelegten Positivliste kann ich allerdings nicht teilen. Die von ihm avisierten Einsparungen von 3 Milliarden Mark können durch diese Liste mit Sicherheit nicht erreicht werden. Die Krankenkassen, die zu den Befürwortern gehören, können froh sein, wenn die Arzneimittelkosten bei einer Umsetzung der Liste nicht weiter steigen. Genau das wird aber der Fall sein. Die Ärzte, ebenfalls sehnsüchtig auf die Positivliste wartend, werden mit einer vermeintlichen Sicherheit die vorgeschlagenen Produkte verordnen und sich wundern, wenn die Budget ablösenden Verordnungsvolumina schnell überschritten werden. Dann droht trotz Beachtung der Positivliste ein Regress.
Diejenigen, die die Positivliste als Kostensenkungsinstrument einsetzen wollten, sehen dann vielleicht ein, dass ihre Erwartungen falsch waren - Hoffnungen, die auf Grund der Erfahrungen anderer Länder mit einer Positivliste ohnehin nicht gerechtfertigt waren.
Nach Durchsicht der Liste muss ich feststellen, dass sie im Prinzip keine Positivliste ist, sondern einer Transparenzliste gleicht, auf der sich auch Produkte finden, die als nicht verordnungsfähig eingestuft werden. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass sowohl der Vorsitzende also auch der Geschäftsführer des Institutes aktiv in der ehemaligen Transparenzkommission mitgearbeitet haben. Für mich ist zudem erstaunlich, dass einige Präparate als verordnungsfähig definiert wurden, die bisher im Arzneimittelreport als umstritten galten. Vielleicht haben diese überraschenden Einstufungen und die Transparenz der Liste dazu beigetragen, dass die ersten Reaktionen der Industrieverbände moderater ausgefallen sind als erwartet. Lediglich der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) hat seine ablehnende Haltung zur Positivliste weiter bekräftigt.
Wir werden abwarten müssen, welche Mutationen diese Liste in der Diskussion noch erfahren wird und ob das Bundesministerium für Gesundheit noch vor der Wahl die Rechtsverordnung erlassen kann oder muss. Vielleicht wird die Liste Bewegung in die Gesundheitspolitik bringen. Einsparungen bringt sie nicht.
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