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Nachdenken schadet nicht

15.07.2002  00:00 Uhr

Nachdenken schadet nicht

Wie ein Blitz schlug im Frühjahr 1998 eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ein, nach der die Freiheiten des grenzenlosen Europas prinzipiell auch für die Gesundheitsversorgung gelten. Auch wenn gemäß EG-Vertrag die Verantwortung für diesen Sektor ausschließlich bei den Mitgliedstaaten liege, seien dennoch die Grundsätze des Binnenmarktes zu beachten.

Zwischenzeitlich sind mehr als vier Jahre vergangen. Währenddessen sind die Diskussionen ruhiger und die Argumente sachkundiger geworden. Viele Fragen blieben dennoch unbeantwortet. Und immer häufiger wird zugegeben, dass auch die Gesundheitsversorgung eine europäische Dimension hat. Wenn sogar Komapatienten, wie der durch seine Klage beim Europäischen Gerichtshof bekannt gewordene Niederländer Peerbooms, sich im Ausland behandeln lassen, können eben auch die subsidiaritätsgläubigsten Regierungen nicht mehr ignorieren, dass nicht nur gesunde EU-Bürger, sondern auch Patienten EU-weit „mobil“ sein können.

Wenn die Politiker nicht zulassen wollen, dass die Entwicklungen weiterhin von der Rechtsprechung bestimmt werden, müssen sie handeln. Zum einen müssen sie die nationalen Systeme der Gesundheitsversorgung EU-kompatibel machen, und zum anderen müssen sie es den Patienten ermöglichen, dass diese ihre Freizügigkeit in der EU wahrnehmen können.

Da sich derartige Fragen am sinnvollsten im Kreise aller Mitgliedstaaten diskutieren lassen, haben sich die Gesundheitsminister auf europäischer Ebene zusammengetan und einen gemeinsamen „Prozess des Nachdenkens“ vereinbart. Dabei sollen bestimmte Problemfelder über die einzelstaatliche Sichtweise hinaus auch aus der Gemeinschaftsperspektive geprüft und mögliche Maßnahmen sondiert werden.

Die Entscheidung für eine derartige gemeinsame Initiative wurde darüber hinaus durch eine andere Entwicklung motiviert. Diese betrifft die Probleme im Zusammenhang mit der langfristigen Finanzierbarkeit und der Qualität der Gesundheitsversorgung, die es in ganz Europa gibt. Auch wenn jedes Land hier eigenverantwortlich agieren kann, wird der Spielraum für alle immer enger. Die gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik tut ein übriges: Konvergenz ist angesagt. Im Hinblick auf die EU-Erweiterung öffnen sich hier keine rosigen Perspektiven.

Die Gesundheitspolitiker wollen jedoch nicht tatenlos zusehen, wie fremde Einflüsse zunehmend ihr Tätigkeitsfeld bestimmen. Eine gemeinsame Strategie ist dabei zweifelsohne von Vorteil. Offene Koordinierung heißt die Zauberformel, die Annäherung verspricht, ohne Gleichschaltung der Gesundheitssysteme zu fordern. In ihren Ende Juni verabschiedeten Schlussfolgerungen zur Patientenfreizügigkeit sprechen die Gesundheitsminister von „verstärkter Zusammenarbeit“ und dem so genannten „Lissabon-Prozess“. Wenn auch nur zögerlich, so lässt diese Initiative dennoch eine Richtung im Denken erkennen, die bis vor kurzem für viele Mitgliedstaaten noch völlig abwegig schien.

Das strenge Beharren auf dem Prinzip der Subsidiarität, das den Einzelstaaten die volle Entscheidungshoheit, aber auch die alleinige Verantwortung zuweist, scheint derzeit in der Gesundheitspolitik seine absolute Leitfunktion eingebüßt zu haben. Man folgt deshalb der Maxime: Gemeinsames Nachdenken schadet nicht. Ein Paradigmenwechsel ist dies allerdings noch lange nicht. Da die Ergebnisse des Reflexionsprozesses zügig vorgelegt werden sollen, werden wir hoffentlich bald wissen, ob eine derartige Neuorientierung überhaupt erforderlich ist.

Dr. Susanne Hof
Leiterin der ABDA-Europavertretung
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