Pharmazeutische Zeitung online

Ehrlich

16.07.2001  00:00 Uhr

Ehrlich

von Daniel Rücker, PZ-Redakteur

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat sich wieder bei den Regierungsparteien unbeliebt gemacht. Seine Forderung, die Krankenversicherung durch eine private Vorsorge zu ergänzen, stößt bei SPD und Grünen auf wenig Sympathie. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und SPD-Generalsekretär Franz Müntefering wiesen Müllers Vorstoß scharf zurück. Sie sollten sich lieber mit dem Konzept auseinander setzen.

Müllers Vorschlag unterscheidet sich wohltuend von den meisten anderen Reformansätzen. Er ist ehrlicher und beruht auf der Erkenntnis, dass die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens nicht allein über Einsparungen bei vermeintlich überflüssigen Leistungen gesichert werden kann. Er macht das System für die Versicherte flexibler - allerdings wohl auch teurer. Er bemüht nicht den Popanz Wirtschaftlichkeitsreserven, deren Erschließung - wie uns Politiker und Kassenfunktionäre glauben machen wollen - ausreichen würde, den medizinischen Fortschritt zu bezahlen. Hier ein paar Reimporte mehr verordnet, dort die Ärzte ein wenig diszipliniert und schon haben wir ausreichend Geld, allen Bedürftigen medizinische Innovationen zur Verfügung zu stellen. Dass das nicht stimmt, wissen auch Schmidt, Müntefering und der Grüne Rezzo Schlauch, die jetzt den Erhalt des solidarischen Systems beschwören und vor einer Zwei-Klassen-Medizin warnen.

Wahrscheinlich würde die Krankenversicherung für die Versicherten teurer. In Müllers System würden Beitragssatzsteigerungen wohl im wesentlichen beim Arbeitnehmer hängen bleiben. Solange die Lohnnebenkosten als Schlüssel zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit gelten, ist dies jedoch unvermeidbar. Zwei-Klassen-Medizin verhindert man nicht, indem man vor ihr warnt. Wer Leistungen aus der Erstattungsfähigkeit wirft, nimmt sie billigend in Kauf. In manchen Bereichen ist Zwei-Klassen-Medizin heute Realität: Viele Arzneimittel werden über die Negativliste nicht mehr erstattet, die Positivliste wird diese Situation verstärken; sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen, werden von der Krankenkassen nicht mehr übernommen. Manche Ärzte lassen GKV-Versicherte schon bei der Terminvergabe sehr deutlich spüren, dass sie Patienten zweiter Klasse sind.

Das von Müller vorgeschlagene System, den Arbeitgeberbeitrag als Lohn auszuzahlen und ihn zum Aufbau einer privaten Zusatzversicherung zu nutzen, muss nicht zwingend unsozialer sein als das bestehende System. Der Minister will die gesetzliche Krankenversicherung schließlich nicht abschaffen, sondern nur ergänzen. Die Behandlung schwerer Krankheiten muss selbstverständlich weiterhin über eine gesetzliche Versicherung garantiert werden. Bei der Rente hat die Regierung ein ähnliches System als großen Erfolg gefeiert, von sozialen Verwerfungen war dort nie die Rede.

Eine private Zusatzversicherung würde den Versicherten zudem mehr Wahlmöglichkeiten einräumen. Der einheitliche Leistungskatalog der GKV mag in vielen Bereichen sinnvoll sein. Dass er das gesamte Spektrum der Krankenkassen umfasst, ist jedoch unsinnig. Etwas mehr Flexibilität und Freiheit würde auch der GKV nicht schaden. Warum darf ein Versicherter nicht eine Versicherung mit höherer Selbstbeteiligung und geringerem Beitrag abschließen, während ein anderer im Vorhinein mehr bezahlt, sich dafür aber nicht an den Behandlungskosten beteiligt? Soziale Sicherheit ist kein Synonym für Bevormundung.

Bislang weigern sich SPD und Grüne, über eine Aufteilung in Pflicht- und Wahlleistungen nachzudenken und damit private Vorsorge in die GKV aufzunehmen. Aber vielleicht ist der Vorstoß ja doch keine unabgestimmte Aktion. Möglicherweise lässt hier ein parteiloser Minister einen Versuchsballon steigen, dessen Aufstieg mit großem Interesse verfolgt wird. Das Ergebnis der ersten Tage ist dabei gar nicht so schlecht: Die größte Kritik kommt aus den eigenen Reihen, die Resonanz in den Medien und bei den Ärzten ist eher positiv. Der Regierung wird dies nicht entgehen und wenn eine Idee Chancen auf eine Mehrheit hat, neigen Politiker dazu, ihre fundamentalen Bedenken durch Sympathie zu ersetzen.

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