Pharmazeutische Zeitung online

Scheindiskussion

25.06.2001  00:00 Uhr

Scheindiskussion

von Hans-Günter Friese, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände

Die Diskussion um den Versandhandel mit Arzneimitteln geht offenkundig in eine weitere Runde. Nun haben sich auch Regina Schmidt-Zadel (SPD), Sprecherin der SPD-Arbeitsgruppe Gesundheit, und Klaus Kirschner (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, nach Besuch einer schweizerischen Versandapotheke für die Lockerung des Versandhandelsverbotes bei uns ausgesprochen. Unser Apothekenwesen sei nicht mehr europakompatibel, heißt es lapidar in der Begründung. Das Internet wird dabei als Transmissionsriemen für die von Kassenseite schon seit langem geforderte Einführung des Versandhandels genommen. Eine eigentliche ökonomische Bedeutung messen die Politiker ihm indessen nicht bei.

Wie sehen die Fronten aus? DocMorris macht trotz zweier rechtskräftiger einstweiliger Verfügungen unbekümmert weiter. Die verlorenen Prozesse, so der durchaus quirlige Vertreter des Unternehmens, seien im Businessplan enthalten. Man darf gespannt sein, wie die Kapitalgeber des Unternehmens solch lockere Ausreden mittragen.

Interessant wird es bei den Vertretern der Kassen, die das Wort Internet zunehmend weniger im Munde führen und sich zu ihrem eigentlichen Terrain "Versandapotheke" nunmehr auch öffentlich wieder bekennen. Allerdings: Nur wenige Apotheken, so ist von Kassenseite zu hören, sollen die Zulassung als Versandapotheke bekommen, da ansonsten die Einführung des Versandhandels zur Kostenreduzierung nichts bringe. Achtung! Die Kassen fordern neben der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebserlaubnis eine zweite Zulassung. Da müssen auch Politiker genauer hinhören.

Die Versandapotheken selbst wollen sich nun die "Mehrwert-Eigenschaften" der öffentlichen Apotheken zu Eigen machen. Sie wollen zum Beispiel rund um die Uhr zumindest telefonisch erreichbar sein, streben nach einem gewissen Vollsortimentsbereich. Flankiert werden diese Entwicklungen seit einiger Zeit auch von den Verbraucherschützern. Die setzen allerdings einen Sicherheitsmaßnahmenkatalog voraus, der dem der öffentlichen Apotheke entspricht und von den Versendern so nicht zu erfüllen sein wird.

Die Diskussion um den internetgestützten Versandhandel dekuvriert sich immer mehr als Scheindiskussion. Es geht nicht ums Internet und dessen Nutzung. Es geht einzig und allein um die Apothekenroherträge bei hochpreisigen Arzneimitteln, die die Grundlage für die Rosinenpickerei der Versandapotheken bilden. Und es geht um die Frage, wie sich auch Nichtapotheker am Rohertrag der Apotheken beteiligen können. Der Ideologie des "Der Internethandel kommt doch!" setze ich entgegen: Das Internet ist da und wird in unseren Apotheken für Information und Beratung genutzt. Der Versandhandel hat zunächst einmal nichts mit dem Internet zu tun.

Im Grundsatz befinden wir uns bei der Diskussion um den Versandhandel mitten in einem gigantischen Wettbewerb der Systeme. Das System, das wir hochhalten - nennen wir es einmal die eher pharmazeutisch ausgerichtete Sichtweise im Sinne eines "europäischen Weges" - stellt die individuelle Beratung und die persönliche Verantwortung in den Vordergrund. Das angelsächsische System auf der anderen Seite setzt hingegen primär auf den kommerziell ausgerichteten Weg. Alle Erfahrungen zeigen, dass der Patient im angelsächsischen System eine immer kleinere Rolle spielt. Es ist ein System, in dem beispielsweise deutschen Patienten angeboten wird, sich in England am offenen Herzen operieren zu lassen, teilweise bis zu 30 Prozent billiger als in Deutschland. Das System toleriert, dass die eigenen britischen Patienten für die gleichen Operationen auf langen Wartelisten landen. Ein System "Wer zahlt, schafft an", in dem die Solidarität auf der Strecke bleibt und die Leistungen permanent sinken; ein System, das noch nicht einmal preiswerter ist.

Die verfügbaren Zahlen und Fakten belegen nach wie vor, dass das deutsche Arzneimittelvertriebssystem sicherer, schneller und kostengünstiger ist als Systeme, in denen der Versandhandel zugelassen ist. Das erst vor wenigen Jahren bekräftigte Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln ging übrigens damals entscheidend auch von einer Initiative des Landes Niedersachsen aus. Der damalige Ministerpräsident hieß Gerhard Schröder! Mein Eindruck ist, dass die gesellschaftlichen und politischen Kräfte in Deutschland und Europa das Thema Versandhandel mehr und mehr nüchtern diskutieren und zunehmend den oben angeführten "europäischen Weg" bevorzugen. Gerade auch, weil der Patient, der Kunde, der Verbraucher dann nicht zweiter Sieger wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, helfen Sie mit, Meinungsbildner in Ihrem Umfeld zu überzeugen. Entlarven wir gemeinsam Distributionsexperimente, decken wir die Gefahren so genannter "liberalisierter Systeme" auf. Deren Ergebnis ist insgesamt eine weniger gute, dafür aber weit kostenträchtigere Arzneimittelversorgung.

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