Realitätsfern |
16.05.2005 00:00 Uhr |
Die Erfahrungen vom Pfingstwochenende machen klar: Den Apothekern steht eine schwere Zeit bevor. Kassenfürst Ingo Kailuweit von der KKH und Versichertenvertreter Heinz Windisch pöbelten in der »Bild am Sonntag« (BamS) aufs Heftigste gegen eine »Gesetzeslücke« die zum »Millionengeschenk für alle Apotheker« wurde (mehr dazu lesen Sie hier). Die Apotheker bekämen einen »Nachschlag« von 226 Millionen Euro für 2004, also pro Apotheke 11.000 Euro und das, obwohl sie ohnehin zu den Profiteuren der Reform gehörten. Die BamS transportiert all dies mit Wohlbehagen, neben Sex und Sport gehört Sozialneid zu den Themen, die Auflage machen.
Dass fast alles, was in der BamS und einiges, was in anderen Medien behauptet wurde, nicht der Realität entsprungen ist, erscheint nebensächlich. Wen interessiert es schon, dass die Regelung, die den Apothekern nun eine Absenkung des Rabatts bescheren könnte, ihre Existenz dem hartnäckigen Insistieren der Krankenkassen verdankt? Wer will wissen, dass es sich bei den strittigen Millionen keinesfalls um einen Nachschlag für die Apotheker handelt, sondern um eine Reduzierung des Rabattes, den sie den Kassen gewähren? Wer hat registriert, dass es gar nicht um eine Nachforderung für 2004, sondern um eine Neuberechnung für 2005 geht? Niemand!
Das stimmt, stört aber keinen. Denn die Geschichte vom reichen Apotheker mit einem Durchschnittseinkommen von 81.000 Euro, der durch einen Winkelzug die ohnehin klammen Kassen der GKV noch weiter plündert und so Beitragssenkungen verhindert, ist für die Medien einfach zu leicht erzählt.
Leider auch für die Politik: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat die Apotheker bereits aufgefordert, auf den ihnen gesetzlich zustehenden Betrag zu verzichten. Sie hätten 2004 auch so schon genug verdient. Ohne Frage eine eher ungewöhnliche Sicht auf Gesetze und Verträge. Der Gerechtigkeit halber sollte Schmidt Kassenvorstände, Geschäftsführer von Pharmaunternehmen und Spitzenverdiener ihres Ministeriums, die mehr als 81.000 Euro verdienen, auffordern, 11.000 Euro pro Nase zur Stärkung der GKV zu spenden.
Für die Apotheker ist die Situation vertrackt. Es gibt einige, die deutlich unter dem Durchschnittsverdienst liegen, die das Geld brauchen, um ihre Angestellten zu bezahlen, um selbst über die Runden zu kommen oder ihre Apotheke für die kommenden Jahre fit zu machen. Die können auf 11.000 Euro keinesfalls verzichten. Auf der anderen Seite wäre es mehr als gefährlich, nun offensiv zurückzuschlagen. Der politische Schaden könnte immens sein. Es ist deshalb richtig, dass man erst einmal den Schiedsspruch abwarten will und dann weitersieht. Mit Blockade hat dies nicht im Entferntesten etwas zu tun. Niemand muss begründen, warum er sich an gesetzliche Vorgaben halten möchte. In Erklärungsnot ist derjenige, der die Gesetze nicht einhalten möchte.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur
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