Editorial
Dr. Hartmut
Morck
Chefredakteur
Wer glaubt, daß mit der dritten Stufe der
Gesundheitsreform mit den Neuordnungsgesetzen 1 und 2,
die voraussichtlich nach Einspruch des Bundesrates am 12.
Juni mit der Kanzlermehrheit im Bundestag verabschiedet
wird und zum 1. Juli in Kraft tritt, die
Gesundheitsreform abgeschlossen wäre, wird spätestens
dann eines Besseren belehrt, wenn er die augenblickliche
Diskussion um die Umsetzung des noch virtuellen Gesetzes
verfolgt.
Ärzte, Apotheker und Pharmazeutische Industrie haben
zwar einhellig die Ablösung des Arzneimittelbudgets
durch Richtgrößen begrüßt. Die Krankenkassen lehnen
dies aber nach wie vor mit dem Hinweis ab, daß damit die
Arzneimittelkosten explosionsartig steigen werden.
Bei dieser Ausgangssituation wird klar, daß bereits die
Vereinbarung der Richtgrößen durch die
Selbstverwaltung, sprich Kassenärztliche Vereinigungen
und Krankenkassen, sehr schwierig werden wird, mit
Formen, die durchaus mit den Tarifauseinandersetzungen in
anderen Wirtschaftszweigen verglichen werden können. Das
heißt, auch hier wird in vielen Fällen das
Schiedsverfahren die Lösung bringen müssen, was aber
nichts anderes bedeutet, als daß die Selbstverwaltungen
unfähig waren und ausgebootet wurden.
Wenn dann auch noch alle Seiten freimütig bekennen, daß
die Festlegung und die praktische Umsetzung der
Richtgrößen schwierig wird, verliert man die letzten
Hoffnungen, daß der Weg vom Budget zur Richtgröße
überhaupt begangen wird. Damit wird auch die vom
Gesetzgeber erhoffte Zeitschiene, ab 1. Januar 1998 mit
Richtgrößen arbeiten zu können, zur reinen Illusion.
Es wundert dann auch nicht mehr, wenn von Seiten der
Krankenkassen bereits die Kompromißformel ziemlich
konkret formuliert wird: Beibehaltung des
Arzneimittelbudgets als Rahmen für das
Gesamtausgabenvolumen für Arzneimittel, Wirksamwerden
der Richtgrößen erst dann, wenn das Budget
überschritten wird, was dem Wunsch der Ärzte
entsprechen würde, die Kollektivhaftung abzuschaffen.
Daß bei dieser Kompromißformel die nächste Reform
nicht lange auf sich warten läßt, ist absehbar.
Die wird sich dann zwangsläufig mit Ausgrenzungen
beschäftigen müssen, wenn das Ziel weiterhin
Beitragsstabilität und keine Steigerung der
Lohnnebenkosten ist, vorausgesetzt, die Politik hat den
Mut dazu, das heißt, es dürfen keine Wahlen vor der
Tür stehen.
Bleibt nur zu hoffen, daß die nächste Reform nicht dem
Konzept folgt, sparen und hoffen, daß die
Versorgungsqualität nicht darunter leidet, sondern daß
die Absicht verfolgt wird, durch Verbesserung der
Qualität mehr Wirtschaftlichkeit zu erzielen.
© 1997 GOVI-Verlag
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