Editorial
von Dr.
Hartmut Schmall
Präsident der Bundesapothekerkammer
Das Recht auf Bildung ist in unserem Grundgesetz
verankert. Gerade in diesen Wochen, in denen die Medien
voll sind mit der Berichterstattung über die Situation
in der beruflichen Ausbildung, rückt dieses Grundrecht
unseres Gemeinwesens wieder in den Blickpunkt.
Fast zwei Drittel aller Jugendlichen eines Jahrgangs
suchen über eine Berufsausbildung im dualen System den
Einstieg in das Arbeitsleben. Die Schere zwischen Angebot
und Nachfrage bei den Ausbildungsplätzen geht allerdings
weit auseinander. Zur Zeit fehlen nach den Angaben der
Bundesanstalt für Arbeit rund 170.000
Ausbildungsplätze. Bei den Schulabgängern, die keinen
Ausbildungsplatz finden, wird sich Resignation und das
Gefühl, überflüssig zu sein, einstellen - nicht gerade
eine gute Grundlage für den Einstieg ins
Erwachsenenleben und in das Leben eines mündigen
Staatsbürgers. Arbeitslosigkeit ist schlimm - nicht nur,
aber ganz besonders für junge Menschen. Und ohne
Berufsausbildung hat man schlechte Karten auf dem
heutigen Arbeitsmarkt. Das zeigen auch die Zahlen
deutlich: Rund 60 Prozent der 20- bis 24jährigen
Arbeitslosen haben keinen Berufsabschluß.
Jugendarbeitslosigkeit ist ein großes Problem für uns
alle. Dabei geht es nicht nur um bedrückende
Einzelschicksale, sondern auch um die in ihr verborgenen
Gefahren für unser demokratisches Gemeinwesen. So ist es
auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ausreichend
Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Hier nur
nach der Politik zu rufen, löst das Problem nicht. Bund
und Länder haben in den letzten Jahren zahlreiche
Initiativen und finanzielle Förderprogramme für
ausbildende Betriebe ins Leben gerufen. Trotzdem bilden
nur etwa 30 Prozent der Betriebe und Verwaltungen aus.
Kein Wunder, daß nun nicht mehr nur Gewerkschaften und
SPD eine solidarisch finanzierte Berufsausbildung forden!
Gerade vor einigen Wochen haben Wirtschaft und
Bundesregierung eine gemeinsame Initiative
"Ausbilden - Wir machen mit" gestartet, deren
abgebildetes Logo Sie in den nächsten Wochen sicher
häufiger sehen werden. Auch die Freien Berufe haben sich
an dieser Aktion beteiligt.
Ich weiß, daß viele Kollegen regelmäßig und engagiert
ausbilden. In Anbetracht der bedrückenden Lage erlaube
ich mir aber trotzdem, Sie alle sehr herzlich zu bitten:
Prüfen Sie und diskutieren Sie in Ihrem Team, ob Sie
nicht (noch) einem jungen Menschen einen Ausbildungsplatz
bieten können. Es sollte Ihnen keine Sorgen bereiten,
wenn Sie demjenigen heute nicht versprechen können, ihn
nach Abschluß der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis
zu übernehmen. Erstens bedeutet es für den einzelnen
jungen Menschen schon sehr viel, drei Jahre lang ein
geregeltes Leben zu führen und einen Berufsabschluß zu
erwerben, der seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt - auch
in verwandten Bereichen - verbessert. Zweitens denke ich,
werden wir zukünftig vermehrt PKA brauchen. Wenn wir
selbst die pharmazeutischen Dienstleistungen
intensivieren, brauchen wir tüchtige und qualifizierte
Mitarbeiter, die sich selbständig um die Warenwirtschaft
kümmern.
Wir Apotheker legen Wert darauf, bei unseren
Arzneimittelempfehlungen unabhängig von Pharmafirmen und
Großhandel zu sein. Das bedeutet auch, daß nicht diese,
sondern wir entscheiden, was in Sichtwahl und
Schaufenster präsentiert wird. Auch dafür brauchen wir
gut ausgebildete PKA, die die Arzneimittel, die wir
unseren Kunden empfehlen wollen, ansprechend in der
Apotheke plazieren. Ich bitte Sie sehr herzlich, diese
Gedanken ernsthaft und wohlwollend zu prüfen.
Übrigens: Apothekerkammern, Arbeitsämter und Industrie-
und Handelskammern informieren Sie gerne über
finanzielle Fördermöglichkeiten für ausbildende
Betriebe.
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