Noch immer Chaos |
31.03.2003 00:00 Uhr |
In den letzten Tagen hat der Krieg im Irak die innenpolitischen Probleme überdeckt, zumindest in der Öffentlichkeit. Wochen sind wieder verstrichen, ohne dass man auf dem Weg zu einem Reformkonsens in der Sozial- und Gesundheitspolitik wesentlich vorangekommen ist. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat andere Vorstellungen als das Kanzleramt. Das Kanzleramt hat andere Vorstellungen als weite Teile der SPD-Fraktion. Alle drei haben andere Vorstellungen als die Opposition. Dies lässt auch den 300 Seiten starken ersten Arbeitsentwurf des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) wie Makulatur erscheinen.
Dass einzelne Mitglieder der Rürup-Kommission, wie zuletzt Professor Dr. Karl Lauterbach, der nicht nur im Ohr der Ministerin Ulla Schmidt sitzt, sondern auch beratend für die SPD und Gewerkschaften aktiv ist, ihre „privaten“ Meinungen veröffentlichen, stört den Reformprozess mehr als dass es ihm nützt. Eine klare Linie im Reformkurs der Sozial- und Gesundheitspolitik der Koalition ist kaum auszumachen.
In diesem Chaos fragt man sich, wo eigentlich genau die Gesundheitsministerin steht. Sie hat das Arbeitspapier offensichtlich noch nicht abgesegnet. Steht sie nahe beim Kanzler, näher an den Gewerkschaften oder liebäugelt sie sogar mit Positionen aus der Opposition? Apodiktisch verkündete sie indes: Der Mehrbesitz kommt und der Versandhandel auch. Sie hat sich offensichtlich der Schröder’schen Basta-Politik angeschlossen: Nicht mit Argumenten überzeugen, sondern mit dem Kopf durch die Wand. Koste es, was es wolle.
Dabei wird indes immer deutlicher, dass der Kanzler Abstriche im Leistungskatalog machen will, also auch von den Versicherten Opfer verlangt. Schmidt setzt dagegen auf Solidarität und will primär die Leistungsanbieter in die Mangel nehmen.
In diesem Durcheinander hilft es denen, die allmählich den Überblick verlieren, nicht weiter, wenn Schröder betont, die Agenda 2010 werde Punkt für Punkt umgesetzt. Über Details könne man reden, über die Linie nicht.
Es fehlt die klare Richtlinienkompetenz des Kanzlers. Abzuwarten bleibt, ob diese Regierung mit ihrer Mehrheit im Bundestag die dringend notwendigen Reformgesetze verabschieden kann. Im Bundesrat wird sie scheitern. Unsicher ist auch, ob ein zweites Lahnstein den Prozess beschleunigt. Sicher ist nur, dass bei mehr als 4,6 Millionen Arbeitslosen Absichtserklärungen nicht mehr reichen. Taten müssen folgen.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
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