Editorial

Von Dr. Günter Theurer
Präsident des Landesapothekerverbandes
Baden-Württemberg
Von vielen Gruppierungen, aber auch von vielen Kolleginnen und Kollegen wird der
Apotheke keine Überlebenschance mehr eingeräumt. Für die Krankenkassen sind
wir unnötige Kostenverursacher, für die Industrie unangenehme Kritiker und für die
Ärzte echte Konkurrenz. Hinzu kommt, daß aufgrund der derzeitigen
gesellschaftlichen Strukturen mit weiteren Beitragsausfällen bei den Krankenkassen
gerechnet werden muß. Die steigende Arbeitslosigkeit ist ein europaweites Problem,
das die Politik kurz- und mittelfristig nicht lösen kann.
Diejenigen, die nur in den Interessenverbänden die Schuldigen suchen und darüber
hinaus lediglich in Lethargie verfallen, machen es sich zu leicht und werden so in
Zukunft nicht überleben können. Solidarisierung und Aktivität sind in Zukunft gefragt.
Das bedeutet ideologische Stärkung der Verbände und die Einleitung eines
Abnabelungsprozesses von den gesetzlichen Krankenkassen. Die Zukunft der
deutschen Apotheke liegt im Ausbau der Selbstmedikation, in verstärkter
pharmazeutischer Betreuung und schlußendlich in der Etablierung zum
"Markenfachgeschäft für Gesundheit".
Für die Selbstmedikation kann es nur einen Ansprechpartner geben: die Apotheke.
Die Apotheke, erst kürzlich wieder im deutschen Kundenbarometer auf den zweiten
Platz gesetzt, wird von der Bevölkerung als das Gesundheitsfachgeschäft
angenommen. Die unverwechselbare und unverzichtbare "Marke Apotheke" muß
sich wiederum auf starke und qualitativ hochwertige Marken aus der Industrie
verlassen können. Weiße Ware macht die Apotheke zum austauschbaren
No-name-Geschäft.
Der Ausbau der Selbstmedikation, die Stärkung von Markenartikeln über die
Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker bringt mittelfristig Entlastungen von
vielen Milliarden DM für die gesetzliche Krankenkasse.
Wer erkennt, daß in der Beratung und in der Betreuung von Patienten und Kunden
unsere Zukunft liegt - wovon wir felsenfest überzeugt sind - sollte, ja muß jetzt
beginnen, sich Fachwissen anzueignen, Mitarbeiter zu begeistern, Beratungsplätze zu
schaffen, die Sichtwahl auszubauen, mit Ärzten zu sprechen und den Kontakt zu
Selbsthilfegruppen zu suchen.
Der Apotheker, der im Drugstore seine Zukunft sieht, wird diese Zukunft genauso
wenig erleben wie der Apotheker, der die Zeichen der Zeit nicht erkennt und auf
wieder steigende GKV-Umsätze wartet. Existenzsicherung bietet nur der Heilberuf
als Dienstleister. Dies bedeutet allerdings erhebliche Mehrarbeit in der Apotheke als
bisher.
Wir sollten dennoch alle Anstrengungen unternehmen - auch wenn sie zur Zeit noch
nicht honoriert werden -, um unsere Unverzichtbarkeit weiter zu festigen, allein unter
dem Gesichtspunkt, der einzige kompetente Arzneimittelfachmann in der
Bundesrepublik zu sein, der sich zusammen mit den Ärzten für die Gesunderhaltung
und für das Gesundwerden unserer Kunden und Patienten einsetzt.

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