E-Zigaretten in Großbritannien bald auf Rezept? |
In Großbritannien könnten Ärzte schon bald E-Zigaretten zulasten des NHS verordnen. / Foto: imago images/Panthermedia
Bislang gibt es keine E-Zigaretten im Königreich, die als Medizinprodukt zugelassen sind. Produkte, die Nikotin enthalten oder enthalten könnten, müssen der Zulassungsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte (MHRA) zwar gemeldet werden und bestimmte Sicherheitskriterien erfüllen. Um eine medizinische Verwendung von E-Zigaretten zu ermöglichen, fehlte bislang allerdings das Zulassungsverfahren, bei dem die Hersteller der Behörde Unterlagen vorlegen und anschließend möglicherweise eine Nutzung zulasten des steuerfinanzierten NHS erlaubt wird.
Dies ändert sich nun. Die Behörde hat am heutigen Freitag mitgeteilt, dass sie die medizinische Zulassung von E-Zigaretten grundsätzlich ermöglichen will. Dazu habe man in einer Richtlinie Qualitätskriterien festgelegt, die die Hersteller erfüllen müssen. Unter anderem müssten Dosierungsstandards gegeben sein und Daten zu toxikologischen Untersuchungen vorgelegt werden. Außerdem hat die MHRA nähere Vorgaben zum Design pharmakokinetischer Studien gemacht.
Doch damit dieses Verfahren in Gang gesetzt werden kann, wird noch ein weiterer Baustein benötigt – die wissenschaftliche Bestätigung des Nutzens. Ähnlich wie in Deutschland der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kooperiert, arbeitet auch die MHRA eng mit einem wissenschaftlichen Institut zusammen – dem National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Das NICE untersucht medizinische Behandlungsmethoden, Arzneimittel und Medizinprodukte, um ihren Zusatznutzen für die Bevölkerung zu klassifizieren. Im Falle der E-Zigaretten fehlt noch eine offizielle Empfehlung des NICE zur medizinischen Nutzung der Produkte.
Dass britische Experten, Politik und Behörden E-Zigaretten nutzen wollen, um die Raucherquote im Land zu drücken, ist allerdings schon länger klar. Im Parlament (House of Commons) hatte sich schon 2018 ein gesundheitspolitisches Komitee mit dem Thema befasst und der Regierung einen entsprechenden Einsatz der Produkte empfohlen. Nach der Anhörung mehrerer Fachverbände und Wissenschaftler hatte das Komitee in seinem finalen Statement damals erklärt, dass E-Zigaretten zu 95 Prozent weniger schädlich seien als herkömmliche Zigaretten, weil sie keinen Teer und Kohlenmonoxid freisetzen. Das Komitee hatte jedoch auch darauf hingewiesen, dass es keine Studien zu möglichen Langzeiteffekten von E-Zigaretten auf die Gesundheit gebe, weil es die Produkte noch nicht lang genug gebe.
In einem Artikel der Tageszeitung »The Guardian« begrüßen auch Wissenschaftler die aktuelle Entwicklung. Die auf Gesundheitsökonomie spezialisierte Professorin Dr. Linda Bault weist darauf hin, dass es »gute Evidenz« dafür gebe, dass E-Zigaretten Rauchern dabei helfen könnten das Rauchen aufzugeben. Gleichzeitig hätte einer von drei Rauchern dies allerdings zur Rauchentwöhnung noch nicht probiert, so Bault. Für viele potenzielle Nutzer seien die Kosten der E-Zigaretten zu hoch – eine NHS-Kostenübernahme könne die Nutzung der Produkte somit befördern.
Auch Sajid Javid, Großbritanniens Gesundheitsminister, begrüßte die Behördenentscheidung. Im »Guardian« erklärt er: »Indem wir die NHS-Verordnung von lizensierten E-Zigaretten ermöglichen, können wir die starken Unterschiede in den Raucherquoten im Land bekämpfen – unabhängig von Wohnort und Hintergrund helfen wir den Menschen somit bei der Rauchentwöhnung.«