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Stoffwechselstörungen

Dürre Datenlage zu Phytopharmaka

Diabetes, Lipidstörungen und Schilddrüsenprobleme: Stoffwechselstörungen sind keine Domäne der Phytotherapie. Welche Phytopharmaka können überhaupt mit Evidenz aufwarten und wie groß ist der Therapieeffekt? Professor Dr. Robert Fürst von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main trennte beim Pharmacon Meran die Spreu vom Weizen.
Brigitte M. Gensthaler
25.05.2022  09:00 Uhr

Der Pharmazeutische Biologe monierte die unklare Datenlage zu Phytopharmaka bei Stoffwechselstörungen. In klinischen Studien seien sehr unterschiedliche Probanden eingeschlossen, Angaben zu Charakterisierung und Standardisierung der eingesetzten pflanzlichen Stoffe und Zubereitungen fehlten und relevante klinische Endpunkte würden nicht erfasst. Langzeitstudien fehlten völlig.

Zur Erinnerung: Nach europäischen Regeln werden Phytopharmaka – abgesehen von der seltenen Vollzulassung – entweder aufgrund ihres anerkannten medizinischen Nutzens, gestützt auf publizierte randomisierte kontrollierte Studien (RCT), als Arzneimittel mit well-established Use (WEU) zugelassen oder aufgrund der traditionellen Verwendung (traditional Use, TU) registriert.

Flohsamenschalen bei Hyperlipidämie

Im Indikationsfeld Hyperlipidämie haben nur Indische Flohsamenschalen (Plantaginis ovatae seminis tegumentum) den WEU-Status. Indiziert sind sie adjuvant zur Diät für Hypercholesterolämie-Patienten, die eine erhöhte Ballaststoffzufuhr brauchen.

Laut einer Metaanalyse aus 21 RCT mit insgesamt 1030 Personen wurde mit Dosen von 3 bis 20 g/Tag eine Senkung des Gesamtcholesterols um 14,5 mg und des LDL-Cholesterols um 10,8 mg/dl erzielt, während HDL und Triglyceride nicht beeinflusst wurden (DOI: 10.1038/ejcn.2008.49). »Verglichen mit synthetischen Arzneimitteln wie Statinen ist das ein kleiner Effekt. Indische Flohsamenschalen sind aber zusammen mit Lebensstiländerungen als erster Schritt bei erhöhten Cholesterolwerten sinnvoll«, resümierte Fürst.

Zu empfehlen sei die 20-g-Dosis, aufgeteilt über den Tag mit ausreichend Flüssigkeit, zum Beispiel 30 ml/g Droge, über einige Wochen. Wichtig für die Beratung: Flohsamenschalen sollten im Abstand von 30 bis 60 Minuten zu anderen Arzneimitteln eingenommen werden, um deren Resorption nicht zu stören.

Knoblauchpulver (Allium sativum) hat von der europäischen Zulassungsbehörde den TU-Status als Adjuvans zur Vorbeugung bei Atherosklerose erhalten. Laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 2013 mit 39 RCT sank das Gesamtcholesterol um 15 und das LDL um 6 mg/dl bei Einnahme über mindestens acht Wochen (DOI 10.1111/nure.12012). Je mehr Cholesterol im Blut, umso stärker der Effekt. Fürst wies darauf hin, dass in den Studien sehr unterschiedliche Zubereitungen sowie roher Knoblauch eingesetzt wurden. Man könne Pulver (900 bis 1380 mg/d) oder entsprechende Extraktmengen über mehrere Wochen einsetzen. Die Warnung vor Kombinationen mit Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmern und Antihypertonika gelte für Knoblauch-Höchstdosen.

Artischocke bei Verdauungsstörungen

Auch Zubereitungen aus Artischockenblättern (Cynarae folium) haben einen TU-Status, aber zur symptomatischen Linderung von Verdauungsstörungen. Hier gebe es keine Metaanalyse, nur einzelne RCT, so der Referent. Neben Curcumawurzelstock und Curcumin als Einzelstoff wird viel Pflanzliches vermarktet: Grüner Tee, Sojalecithin, Perillaöl, Ölbaumblätter und Zwiebel. Alle hätten »marginale bis keine Effekte« bei Hyperlipidämie.

Arzneimittel mit Zimt sind traditionell zugelassen bei leichten krampfartigen Magen-Darm-Beschwerden. »Es gibt Studiendaten, dass sie auch bei Typ-2-Diabetes helfen könnten«, informierte Fürst. Es gebe »gewisse Effekte« auf Nüchternblutzucker, HbA1C und Body-Mass-Index. »Zimt müsste man besser untersuchen, um interessante Effekte herauszuarbeiten«, sagte Fürst.

Gegen Diabetes werden auch Zubereitungen aus Curcumawurzelstock oder Bittermelone (Momordica charantiae) vermarktet. Auch Bittermelone müsse näher untersucht werden. Für Bohnenhülsen, Betain, Grüntee, Hintonia-latiflora-Rinde oder Ölbaumblätter lägen keine großen aussagekräftigen Studien vor.

Für das altbekannte Colchicin könnte sich eine neue Indikation anbahnen. Laut einer RCT mit rund 5500 Patienten mit chronischem Koronarsyndrom konnte Colchicin 0,5 mg/d als Add-on zur Pharmakotherapie das Risiko für ischämische kardiovaskuläre Ereignisse um 30 Prozent reduzieren (DOI: 10.1056/NEJMoa2021372). Bekannt ist der Mitosehemmstoff Colchicin in der Behandlung des akuten Gichtanfalls und bei familiärem Mittelmeerfieber.

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