Dürfen Apotheken streiken? |
Ev Tebroke |
09.05.2023 13:30 Uhr |
Bereits im vergangenen Jahr hatten Apotheken in einigen Bundesländern (wie hier im Saarland) ihre Tore vorübergehend geschlossen, um gegen politische Sparmaßnahmen zulasten der Apotheken zu demonstrieren. / Foto: picture alliance / dpa
Derzeit planen die Apotheken bundesweit viele Protestaktionen, um ihren Unmut über die aus ihrer Sicht fehlende politische Wertschätzung auszudrücken. Die Aktionen sollen ihren Forderungen nach mehr Honorar und besseren Rahmenbedingungen Nachdruck verleihen.
Aber wie weit dürfen Apotheken bei den Protesten überhaupt gehen? Ist es rechtlich erlaubt, dass Offizinen schließen? Die einzelnen Landesapothekerkammern müssen schließlich die reibungslose Sicherstellung der Arzneimittelversorgung garantieren. Zur Einschätzung der rechtlichen Lage für solche Protestaktionen hat die PZ den Rechtsanwalt Ulrich Laut befragt, Hauptgeschäftsführer der Landesapothekerkammer Hessen.
Laut betont, unabhängig von der Frage, ob berufsständige Körperschaften solche Maßnahmen durch Aufruf zur Teilnahme unterstützen könnten, seien die Apothekerkammern im Bereich des Offenhaltens der Apotheken als Behörden tätig, was die Aufforderung zum Verstoß gegen die eigenen Hoheitsbereiche verbiete. Interessenvertreter in wirtschaftlichen Fragen sind die Verbände. Gleichwohl könnten Behörden solche Verstöße dulden, wenn eine Grundrechtsabwägung dies begründet.
»Wenn es sich um abgestimmte, zeitgleiche und inhaltsgleiche Proteste handelt, die an verschieden Orten, nämlich den Betriebsstätten, stattfinden, liegt die gemeinsame, wenn auch dezentrale Kundgabe eines gemeinsamen Willens vor, also eine dezentrale Demonstration«, so der Rechtsexperte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) handelt es sich Laut zufolge damit um eines der zentralen Grundrechte einer Demokratie. Dieses Grundrecht werde eingeschränkt durch die Grundrechte Dritter, sofern diese von überragender Bedeutung sind. Dies betreffe insbesondere Leib, Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen. »Damit muss die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch während der Demonstration ausreichend, nicht aber bequem gewährleistet sein«, erklärt Laut. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) während des Notdienstes der Fall.
»In der konkreten Abwägung führt das dazu, dass die Versorgung der Bevölkerung während der dezentralen Demonstration wie im Notdienst gewährleistet sein muss, die dienstbereiten Apotheken also nur durch Reduzierung der Versorgung auf das im Notdienst zu gewährleistende Maß an den Protesten teilnehmen können.«
Lauts Einschätzung zufolge ist dies zur Gewährleistung der Grundrechtsteilhabe von der Behörde zu dulden. Im Falle von Nachfragen darf die Behörde demnach auf ihre Rechtsauffassung hinweisen, um die Teilhabe an den Grundrechten zu gewährleisten. Stehe zu erwarten, dass es zu einer unbestimmten Vielzahl von Nachfragen kommt, dürfe die Behörde auch alle Betroffenen aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung im Vorfeld der Demonstration auf ihre Rechtsauffassung hinweisen.
Bereits am 19. Oktober 2022 hatten Offizinen in vier Bundesländern gestreikt und ihre Tore vorübergehend geschlossen. Grund für den Streik war der damals anstehende Beschluss des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, welches den Apotheken in Deutschland einen erhöhten Kassenabschlag von 1,77 auf dann 2 Euro aufbürdet. Diese Erhöhung gilt von Februar 2023 bis 31. Januar 2025.