Dürfen Ärzte gegen die Dienstleistungen klagen? |
Das Landessozialgericht Berlin Brandenburg will prüfen, ob eine Klage der Kassenärzte gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen überhaupt möglich ist. / Foto: imago stock&people
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen ist weiter auf Angriffskurs in Richtung Apotheken. Die Spitze der Standesvertretung, die bei den KV-Wahlen Ende des Jahres neu gewählt werden will, attackiert insbesondere die pharmazeutischen Dienstleistungen und die Apotheken-Impfungen weiter. Zur Erinnerung: In einem Brief an alle Mitglieder hatte die KV-Spitze rund um den Vorsitzenden Frank Dastych vor einigen Wochen in teils ungehobelten Ton die Kompetenz der Apotheken in Frage gestellt und die Mediziner dazu aufgerufen, die Apotheken zu boykottieren. In einem Radio-Interview erneuerte Dastych kürzlich seine Kritik an den Dienstleistungen.
Nun gehen die Kassenärzte auch juristisch gegen die Apotheken vor. Die KV hat vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) Klage gegen den Schiedsspruch zu den Dienstleistungen eingelegt. Ein KV-Sprecher bestätigte dies, wollte sich aber zu den Hintergründen und zur inhaltlichen Argumentation der Klage nicht äußern. Ein Sprecher des LSG erklärte gegenüber der PZ, dass die KV sowohl eine Klage als auch einen Eilantrag gegen den Schiedsspruch eingereicht habe. Die KV habe auch schon eine Begründung dazu eingereicht, zu der sich allerdings auch das Gericht nicht äußern wollte. Der Gerichtssprecher kündigte an, dass das LSG »in den kommenden Wochen« zunächst über den Eilantrag entscheiden werde. Das Klageverfahren werde wesentlich länger dauern.
Hinter der juristischen Offensive der KV Hessen steckt aber eine weitere, spannende Frage: Dürfen die Kassenärzte überhaupt gegen den Schiedsspruch klagen? Schließlich sind die Mediziner im Gegensatz zu den Apothekern und den Krankenkassen an den Verhandlungen und an den Gesprächen in der Schiedsstelle nicht beteiligt gewesen. Allerdings: Gesetzliche Vorgaben, wer gegen den Schiedsspruch klagen darf, gibt es keine. Im SGB V ist lediglich festgehalten, dass eine mögliche Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Heißt konkret: Trotz einer Klage, die der GKV-Spitzenverband ebenfalls bereits eingelegt hatte, kann der Schiedsspruch erst einmal umgesetzt werden. Deswegen können die Apotheken die Dienstleistungen jetzt auch schon vergütet anbieten.
Wenn es keine Vorgabe dazu gibt, wer klagebefugt sein könnte, stellt sich also die Frage, in welchen Fällen Dritte (wie hier die KV Hessen) gerichtlich gegen den Schiedsspruch vorgehen können. Die PZ hat sich dazu bei Juristen aus dem Apothekenmarkt umgehört. Demnach könnten Dritte gegebenenfalls dann klagebefugt sein, wenn sie geltend machen, in ihren eigenen Rechten verletzt zu sein. Durchaus denkbar ist es also, dass das LSG schon vorab feststellt, dass die Kassenärzte in ihrer eigenen Tätigkeit nicht betroffen sind und die Klage somit unzulässig wäre. Denkbar wäre es allerdings auch, dass das Gericht potentielle Auswirkungen im »Wettbewerb« unter Heilberufen sieht und die Klage dann zulässt. Dann müsste das Gericht allerdings im Verfahren prüfen, ob eine konkrete Rechtsverletzung vorliegt und den Ärzten Schäden durch den Schiedsspruch entstanden sind.
Interessant ist auch, dass sich das Bundessozialgericht bereits mit einem ähnlichen Thema befasst hat. 2010 hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geklagt, weil dieser in einem Beschluss ambulante Behandlungen in Kliniken erleichtert hatte. Das BSG erklärte damals, dass eine mögliche »Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der Vertragsärzte« keine Klagebefugnis rechtfertige. Wörtlich heißt es im Urteil: »Das allein rechtfertigt keine Klagebefugnis gegenüber einer Richtlinie des G-BA, die den Vertragsärzten keine Rechtspositionen nimmt und sie in keiner Weise rechtlich von der Erbringung derjenigen Leistungen ausschließt, die die Versicherten im Rahmen der Diagnose und Therapie onkologischer Erkrankungen […] nunmehr nicht nur bei Vertragsärzten, sondern auch in bestimmten Krankenhäusern in Anspruch nehmen können.« Soweit die KBV in der Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlungen generell eine Gefährdung der hoch spezialisierten fachärztlichen Versorgung sieht, sei das als gesundheitspolitische Bewertung für die Klagebefugnis ohne Bedeutung, so das Gericht weiter.
Folgt man dieser Argumentation, dürfte die Klage der KV Hessen nicht zulässig sein, zumal es unter den pharmazeutischen Dienstleistungen keine Leistungen gibt, die in gleicher Form auch von Kassenärzten angeboten werden. Das Landessozialgericht will nach eigener Aussage in den kommenden Wochen prüfen, ob die Klage zulässig ist.