Dritter FLT3-Hemmer im Handel |
Sven Siebenand |
28.02.2024 07:00 Uhr |
Quizartinib ist mit einer Verlängerung des QT-Intervalls am Herzen verbunden. Bei 14 Prozent der mit dem Wirkstoff behandelten Patienten wurde eine Verlängerung des Intervalls beliebigen Grades als therapieassoziierte Nebenwirkung gemeldet. Kontraindiziert ist Quizartinib bei angeborenem Long-QT-Syndrom. Bei Patienten mit einem signifikanten Risiko für das Auftreten eines verlängerten QT-Intervalls ist das neue Medikament mit Vorsicht anzuwenden. Das schließt auch Patienten ein, bei denen eine nicht eingestellte oder signifikante kardiovaskuläre Erkrankung vorliegt, etwa Herzinfarkt in den vergangenen sechs Monaten, unkontrollierte Angina pectoris oder unkontrollierte Hypertonie.
Vor Therapiestart und während der Behandlung mit Quizartinib sollten regelmäßig EKG-Untersuchungen stattfinden. Die Behandlung darf nicht begonnen werden, wenn das QTCF-Intervall länger als 450 ms ist. Empfohlene Dosisanpassungen bei verlängertem Intervall nach Beginn der Therapie können der Fachinformation entnommen werden. Bei gleichzeitiger Anwendung von Vanflyta mit Arzneimitteln, die bekanntermaßen das QT-Intervall verlängern, sind häufigere Überwachungen mittels EKG erforderlich und es ist Vorsicht geboten.
Während der 28-tägigen Chemotherapie-Zyklen wird Quizartinib einmal täglich in einer Dosis von 35,4 mg über einen Zeitraum für jeweils zwei Wochen eingenommen. Nach Abschluss der Chemotherapie wird der Kinasehemmer als Erhaltungstherapie einmal täglich allein eingenommen. Die Anfangsdosis liegt bei 26,5 mg in den ersten zwei Wochen, wenn das QT-Intervall ≤ 450 ms ist. Danach ist die Dosis auf einmal täglich 53 mg zu erhöhen, wenn das QT-Intervall ≤ 450 ms ist. Die Behandlung kann über bis zu 36 Zyklen von jeweils vier Wochen fortgesetzt werden.
Die Dosis von Vanflyta muss bei gleichzeitiger Anwendung von starken CYP3A-Inhibitoren reduziert werden, da diese die Bioverfügbarkeit von Quizartinib erhöhen können. Die gleichzeitige Anwendung des Präparats zusammen mit starken oder moderaten CYP3A-Induktoren ist zu vermeiden, da diese die Bioverfügbarkeit von Quizartinib verringern können.
Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen von Quizartinib waren erhöhte Alanin-Aminotransferase (59 Prozent der Behandelten), erniedrigte Thrombozytenzahl (40 Prozent), erniedrigtes Hämoglobin (37 Prozent), Diarrhö (37 Prozent), Übelkeit (34 Prozent), Abdominalschmerz (29 Prozent), Kopfschmerz (28 Prozent), Erbrechen (25 Prozent) und erniedrigte Neutrophilenzahl (22 Prozent).
Quizartinib kann embryofetale Schädigungen verursachen, wenn es bei Schwangeren angewendet wird. Deshalb müssen Frauen im gebärfähigen Alter während der Behandlung sowie für mindestens sieben Monate nach der Einnahme der letzten Dosis wirksam verhüten. Männer mit Partnerinnen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung sowie für mindestens vier Monate danach wirksame Verhütungsmaßnahmen anwenden. Vanflyta darf während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht angewendet werden, es sei denn, dass eine Behandlung aufgrund des klinischen Zustandes der Frau erforderlich ist. Frauen dürfen währen der Behandlung und für mindestens fünf Wochen nach der letzten Dosis nicht stillen.
Mutationen im Gen für FLT3 bedeuten eine schlechte Prognose bei AML. Glücklicherweise wurden in den vergangenen Jahren mit Midostaurin und Gilteritinib erste FLT3-Inhibitoren für AML-Patienten in den Handel eingeführt. Das Wirkprinzip des neuen FLT3-Hemmers Quizartinib ist somit nicht neu, auch das zugelassene Anwendungsgebiet ist insbesondere im Vergleich zu Midostaurin kein Therapiefortschritt.
Dennoch gibt es – abgesehen von den durchaus positiven Studienergebnissen – Argumente dafür, Quizartinib vorläufig als Schrittinnovation einzustufen. So ist der neue Kinasehemmer spezifisch gegen die ITD-Mutation in FLT3 gerichtet, die beiden anderen Wirkstoffe sind dagegen auch gegen die TKD-Mutation gerichtet.
Da Gilteritinib nicht in der Erstlinie zum Einsatz kommen darf, ist der eigentliche Vergleichspartner von Quizartinib Midostaurin. Beide sind für die First-Line-Behandlung vorgesehen. Da AML oft erst im späteren Lebensalter auftritt, ist es eine gute Nachricht, dass Quizartinib anders als Midostaurin bei vielen Menschen im Alter ab 60 Jahren untersucht wurde. Zudem sieht es so aus, als sei die gastrointestinale Verträglichkeit von Quizartinib besser als jene von Midostaurin.
Ein Rückfall bei AML mit ITD-Mutation hängt oft mit einer TKD-Mutation zusammen. Ärzte könnten also die Strategie fahren, mit Quirzatinib zunächst einen spezifisch gegen die ITD-Mutation gerichteten Wirkstoff zu nutzen, um später in der Zweitlinie mit Gilteritinib »neu« gegen die TKD-Mutation vorzugehen.
Weitere direkte Vergleiche der drei Kinasehemmer wären zudem natürlich sehr wünschenswert.
Sven Siebenand, Chefredakteur