Diskussion um SARS-CoV-2-Ursprung hält an |
Theo Dingermann |
04.12.2024 14:56 Uhr |
Das SARS-Coronavirus-2 ging Ende 2019 von der chinesischen Stadt Wuhan aus um die Welt. / © Getty Images/BlackJack3D
Unter Federführung der Republikanischen Partei erarbeitete ein Ausschuss des US-amerikanischen Repräsentantenhauses einen Bericht mit dem Titel »After Action Review of the Covid-19 Pandemic: The Lessons Learned and a Path Forward«. Die Aufgabe des Ausschusses bestand darin, eine Art Fahrplan für den Kongress, die Exekutive und den privaten Sektor zu erstellen, um auf zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein und in künftigen Notfällen rechtzeitig adäquat zu reagieren. Jetzt legte der Ausschussvorsitzende der Republikaner, Brad Wenstrup, die Ergebnisse der zweijährigen Arbeit vor, die in einem 520 Seiten starken Abschlussbericht zusammengefasst sind.
Dieser Bericht basiert auf Interviews und Anhörungen sowie der Sichtung unzähliger Dokumente. Der Ausschuss zieht teils harte Schlüsse. Dem öffentlichen Gesundheitssystem der USA wird teilweise Korruption attestiert, und die Ausschussmitglieder halten einen Laborunfall als die wahrscheinlichste Ursache für den Ausbruch der Pandemie.
Vor allem die folgenden fünf Argumente sprechen nach Ansicht der Ausschussmitglieder für die Theorie eines Laborunfalls:
Diese Fakten sind alle bekannt. Dennoch sind sich internationale Experten uneinig, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Auch der vorliegende Bericht liefert somit keine Beweise für die These, dass SARS-CoV-2 seine fatalen Eigenschaften durch genetische Manipulationen im WIV erlangt hat.
Sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch viele internationale Wissenschaftler vertreten nach wie vor die Meinung, dass das Virus von Tieren in China auf Menschen übertragen wurde. Erst Mitte September dieses Jahres erschien eine große Arbeit im Fachjournal »Cell«, in der genetische Daten präsentiert werden, die eine zoonotische Übertragung des Virus auf dem Menschen zumindest nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Aber auch diese Studie beweist weder die eine noch die andere Hypothese.
Das gilt auch für eine Studie, deren Ergebnisse in dieser Woche auf einem Meeting in Awaji, Japan, vorgestellt wurden und über die das Wissenschaftsmagazin »Nature« berichtet. Danach verdichten sich die Hinweise, dass zu der Zeit, als die ersten Covid-19-Fälle beschrieben wurden, auch mit Coronaviren infizierte Tiere auf dem Markt vorhanden waren.
Noch immer sucht man nach der Tierart, von der aus das Virus auf den Menschen übergesprungen war. Diese könnte anhand von Proben vom Tiermarkt gefunden werden, die offensichtlich jetzt vorliegen. Zu den Tieren, von denen die Proben stammen, gehören der Amerikanische Nerz (Neogale vison), das Hermelin (Mustela erminea), der Larvenroller (Paguma larvata), eine in Süd- und Südostasien verbreitete Art der Schleichkatzen, der Waschbärhund (Nyctereutes procyonoides), der Rotfuchs (Vulpes vulpes) und der Schweinsdachs (Arctonyx collaris).
Aber selbst wenn in den Geweben Signaturen gefunden würden, die auf eine Immunreaktion als Konsequenz einer Infektion hindeuten, würde dies nicht den Nachweis des Virus in den Geweben ersetzen, um eine zoonotische Genese der Pandemie abzusichern.
Ganz offensichtlich ist dieser Bericht stark politisch gefärbt. Dies wird besonders deutlich dadurch, dass kurz nach Veröffentlichung des offizielen, vom Ausschutzvorsitzenden unterzeichneten Bericht, ein Parallelbericht der Demokratischen Abgeordneten unter den Ausschussmitgliedern erschien.
In diesem Bericht wird vielen Schlussfolgerungen aus den Untersuchungen eindeutig widersprochen. Somit reflektieren die Ergebnisse der beiden Abschlussberichte ziemlich genau die verhärteten politischen Positionen, die die USA während der frühen Phase der Pandemie begleiteten, und die sicherlich nicht primär dem Ziel dienten, eine Extremsituation für die Bevölkerung optimal zu managen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.