Digitaler Befund mit Abstrichen |
Harmloses Muttermal oder doch Hautkrebs? Hautscreening-Apps versprechen eine erste Einschätzung. / Foto: Paz Ruiz Luque
»Hautveränderungen sind beunruhigend. In der Regel dürften neu aufgetretene oder veränderte Muttermale die meisten Sorgen wegen schwarzem Hautkrebs bereiten. Deren Beurteilung allein per Hautcheck-App sehen wir sehr kritisch«, sagte Dr. Ralph von Kiedrowski, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD), bei der Eröffnungspressekonferenz des gemeinsamen Dermatologie-Kongresses mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) in Wiesbaden.
Die Präsenzuntersuchung in der Hautarztpraxis sei der telemedizinischen per App auf jeden Fall überlegen. Studien zeigten, dass etwa 10 bis 15 Prozent der teledermatologischen Anfragen nicht teledermatologisch zu lösen seien. »Was das melanozytäre Muttermal betrifft, ist derzeit die Auflichtmikroskopie mittels Dermatoskop und nicht die visuelle Kontrolle entscheidend. Die Auflichtmikroskopie kann derzeit über Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) noch nicht angeboten werden.« Außerdem zu bedenken: »Wir wissen bei den digitalen Tools nicht, wie viele falsch-negative Befunde durchgehen. Die Nichterkennung entarteter Zellen ist beim Melanom die gefährlichere.«
Die Zahl sogenannter Hautcheck-Apps, deren Nutzung zum Teil auch von gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden, wächst stetig. Längst nicht alle sind auf das Hautkrebs-Screening spezialisiert, wie von Kiedrowski erklärt. Der Begriff »Hautcheck-App« sei zu unspezifisch, um vom Laien eingeordnet werden zu können. »Derzeit gibt es nur zwei Apps - die dritte ist in der Entwicklung -, die als reine Hautkrebs-Check-Apps gelten können, bei denen es vor allem um die Erkennung von schwarzem, aber auch weißem Hautkrebs geht. Sie haben KI-unterstützt schon eine relativ gute Bilderkennung und Trefferquote. Aber: Auch eine seborroische Keratose kann sehr dramatisch aussehen und wird nicht zu 100 Prozent von solchen Apps erkannt. Davon zu unterscheiden sind allgemeine Applikationen telemedizinischer Hautscan-Anbieter, die neben Anamnesebögen und Fotos nebenbei nach Hautkrebs fragen. Diese lehnen wir als Fachärzte ab.«
Ein weiteres Problem für den Nutzer ergebe sich laut von Kiedrowski dadurch, dass die meisten Tools bei der Befund-Benachrichtigung einen Besuch einer Hautarztpraxis empfehlen, Termine aber mitunter schwer zu bekommen sind. Teilweise werden auch Zeiträume vorgegeben, in deren Rahmen eine ärztliche Untersuchung erfolgen sollte. Hier bestehe deutlicher Nachholbedarf: »Eine Diagnose-App muss eine Anbindung an die Versorgung haben. Sie muss den Patienten helfen, eben doch einen Hautarzt zu finden. Ein Befund, der nicht weiterführt, ist ein großes Problem.«
Diese KI-gestützten Verdachtsdiagnosen per App haben bereits heute Auswirkungen für niedergelassene Dermatologen. »Es stellt sich die Frage, ob eine von einer App ausgewiesene Dringlichkeit beachtet werden muss oder ob der Patient nicht doch erst nach Wochen einbestellt werden kann. Anders gesagt: Ist die KI-gestützte Diagnose so valide, dass das Wegschicken sogar unterlassene Hilfeleistung wäre?«
Geschäftsmodelle, bei denen per Hautcheck-App Bagatellfälle gegen eine privat zu zahlende Gebühr rasch geklärt werden können, gleichzeitig aber die schwierigen Fälle dann in die schlechter vergütete Regelversorgung geschoben werden, lehnt der BVDD ab. »Hier müssen faire Lösungen gefunden werden, um die Lücke zwischen digitaler und analoger Versorgung schließen zu können«, fordert der BVDD-Präsident.