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Werte gegen Gewalt

27.01.2003  00:00 Uhr
Computerspiele

Werte gegen Gewalt

von Wolfgang Kappler, Homburg

Jan ist zwar erst neun Jahre alt, doch sein unbeugsamer Siegeswille und seine Fingerfertigkeit bringen Vernichtung und tausendfachen Tod. Zumindest den hin und her wuselnden Menschen, die die Prinzessin vor dem Drachen schützen wollen, den er mit dem Joystick geschickt über den Bildschirm lenkt.

Je mehr Menschen er qualvoll und jämmerlich im Drachenfeuer verbrennen lässt, um so schneller ist die Bestie am Ziel. Zwölf Tote, 86 Tote, 123 Tote rasen die Zahlen am unteren Bildschirmrand dahin. Jans Augen glänzen und spiegeln die virtuellen Brände wider. In der Schule ist er der Held des Tages, weil er nach einer nur 42 Sekunden währenden Zerstörungsorgie am Ziel war. Das hat noch keiner in der Klasse geschafft. Bravo Jan. Nichts dagegen, dass der kleine Mann sein Erfolgserlebnis hatte. Doch dass gleichzeitig wieder ein Stück seiner Fähigkeit zum Mitleid verloren gegangen ist, könnte sich langfristig verheerend auswirken, ihn nicht nur in der virtuellen Welt aggressions- und gewaltbereit machen, sondern auch im realen Umgang mit Menschen, sagen die beiden Bochumer Universitäts-Psychologen Dr. Rita Steckel und Dr. Clemens Trudewind.

Bislang streiten die Hersteller von gewalthaltigen Computerspielen vehement einen die Persönlichkeit verändernden Einfluss ihrer Produkte ab. Und auch befragte Nutzer versichern glaubhaft, dass dies nicht der Fall sei, dass sie zwischen Fiktion und Realität sehr wohl zu unterscheiden wüssten. Rita Steckel sieht das jedoch anders: „Die wenigen experimentellen Studien zum Thema zeigen eindeutig, dass der Umgang mit Gewalt in Computerspielen das Aggressionsverhalten, aggressive Gedanken und Gefühle bei Kindern und jungen Erwachsenen sehr wohl beeinflusst“. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Clemens Trudewind hat sie das mit der Untersuchung von 280 Kindern und Jugendlichen bestätigt. Erstmals hatten die beiden Psychologen dabei auch die Beteiligung von Eltern und Erziehern herausgearbeitet.

In sämtlichen Fällen brutaler Gewalttaten von Jugendlichen in der jüngsten Zeit hatte sich gezeigt, dass die Täter sich zuvor mit hochgradig gewalthaltigen Video- und Computerspielen befasst hatten, und ihre Taten zum Teil nach den Spielemustern inszenierten. Die oft gehörte Erklärung „Imitationslernen“ greift allerdings zu kurz. Denn dann würde die Spieleindustrie Recht behalten, die reklamiert, dass Millionen anderer Jugendlicher nicht zu Mördern werden. Steckel und Trudewind legten ihrer Untersuchung einen Ansatz aus der Motivationspsychologie zugrunde, die Motivationstheorie von Kornadt. Danach resultiert aggressives Verhalten aus dem Zusammenwirken von Situationen und in der Person begründeten Faktoren, die das so genannte „Motivationssystem der Aggression“ ausmachen. „Dieses System besteht im wesentlichen aus zwei Hauptkomponenten,“ sagt Trudewind, „der Tendenz zur Aggression und der Tendenz zur Aggressionshemmung.“ Erstere wird durch die vielen Reize eines Spiels aktiviert. Fatalerweise fördern sie die Aggressionslust und belohnen die Gewaltausübung. Gewaltanwendungen sind aber erst dann möglich, wenn die Aggressionshemmung versagt. „Sie beruht auf Normen und Werten sowie auf gefühlsbetonten Mitleidsreaktionen“, sagt Steckel. Die Gefahr von Spielen liegt nun darin, dass die von Eltern und sozialem Umfeld vermittelten Normen und Werte an Verbindlichkeit verlieren. Es ist ja nur ein Spiel, bei dem man die Lust zur Brutalität ungehemmt ausleben kann. Geschieht dies zu häufig, leidet aber letztlich die Fähigkeit zum Mitleid. „Einem Kind bleibt kaum mehr Raum für Mitgefühl mit dem Gegner, wenn es stets dafür belohnt wird, dass es andere verletzt und vernichtet“, so Trudewind. Im Klartext: Es kommt zum Dammbruch in der Aggressionshemmung und das daraus resultierende Ungleichgewicht macht Kinder aggressiv.

Aber nicht alle Kinder verlieren ihre Hemmschwelle. Die Bochumer Psychologen zeigten, dass Kinder aggressive Spiele um so weniger schätzen, je mehr sich Eltern um das Computerspielen kümmern, und um so sicherer die Bindung zwischen Kind und Eltern ist. Danach lassen sich die Auswirkungen solcher Spiele mit einfachen Mitteln mindern und verhindern: „Eltern müssen wissen, mit welchen Spielen ihre Kinder umgehen, sie sollten über die Spiele reden und Werte bezüglich Gewalt vermitteln“, so Steckel und Trudewind. Gegebenenfalls sollten sie dabei auch vor Verboten nicht zurückschrecken, denn Kinder brauchen bekanntlich Grenzen.

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