»Dieser Minister muss gestoppt werden« |
Juliane Brüggen |
27.11.2023 15:30 Uhr |
Wenig Verständnis zeigte Kammerpräsident Peter Stahl dafür, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einen Brief der Vertreterversammlung unbeantwortet ließ. / Foto: LAK Rheinland-Pfalz
»Das Problem der Lieferengpässe und Lieferausfälle ist nach wie vor nicht gelöst und belastet unseren Apothekenalltag in einer Weise, die mich immer wieder mürbe und ein Stück weit auch wütend macht«, sagte Stahl. »Dass der Bundesgesundheitsminister gerne den Eindruck erweckt, das Problem wäre im Griff, hilft da nicht wirklich weiter.« Kammer und Verband seien bereit, zusammen mit dem Landesministerium »alle denkbaren Wege auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen«, die Möglichkeiten seien jedoch begrenzt.
Beeindruckt zeigte sich Stahl vom lauten Protest der Apothekerschaft. Am 15. November hatten zahlreiche Apothekenteams aus Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland in Dortmund protestiert. »Eine Demonstration der Stärke und Verbundenheit«, so Stahl. Besonders gefreut habe ihn »der Schulterschluss mit der Ärzteschaft«. Stahl betonte: »Diesen Zusammenhalt gilt es zu fördern und zu pflegen.«
10 Jahre seien nach der letzten Anpassung des Fixums vergangen. »Wie viele Tarifabschlüsse sind seither ins Land gegangen, wie hoch sind die Betriebskosten und die Kosten für Strom, Heizung oder Mieten seitdem gestiegen.« Dass die GKV die Forderungen der Apothekerschaft offenbar nicht nachvollziehen könne, zeuge von »Arroganz und Ignoranz«.
Die Versorgung vor Ort sei es wert, entsprechend honoriert zu werden. Andernfalls setze man einen wesentlichen Faktor für sozialen Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel. Die Pläne des Ministers zu Filialisierung und »Apotheke light« seien kontraproduktiv: »Diese Pläne zerstören unser etabliertes und funktionierendes System der ›Versorger‹-Apotheken und sie öffnen – auch wenn der Minister uns glauben machen will, dass dies nicht seine Absicht sei – letztendlich dem Fremdbesitz doch die Tür. Diese Pläne müssen gestoppt werden. Dieser Minister muss gestoppt werden.«
Der Brief an den Bundeskanzler lag zum Unterschreiben aus. / Foto: LAK Rheinland-Pfalz
Nein zu sagen, reiche aber nicht, es brauche konstruktive Vorschläge, so der Kammerpräsident. Daran arbeiteten Kammer und Verband zusammen mit dem Ministerium in Rheinland-Pfalz. »Wir müssen miteinander, nicht übereinander reden«, so Stahl. Auf Bundesebene hapere es aber noch: Auf den Brief, den die Vertreterversammlung im letzten Jahr an Lauterbach gerichtet hatte, erhielt sie keine Antwort. Daher folgt nun ein Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wieder unterschrieben von den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern. In diesem kommen die Sorgen um die Versorgungssituation und die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken sowie ein Gesprächsangebot zum Ausdruck. »Ob auch der Kanzler ähnlich respektlos mit uns umgeht, wird sich dann zeigen«, so Stahl.
Abschließend appellierte Stahl an die Apothekerinnen und Apotheker, sich berufspolitisch zu engagieren. Bei der Suche nach einem Nachrücker für ein frei gewordenes Mandat in der Vertreterversammlung sei die Kammer auf eine ernüchternde Bilanz gestoßen. »Die Arbeit in Kammern und Verbänden – sprich in der Vertretung unseres Berufsstandes – lebt zum wesentlichen Teil vom persönlichen Engagement«, betonte Stahl. Der Beitrag könne groß und klein sein. »Unsere Selbstverwaltung braucht die Bereitschaft von uns, sich um unsere Belange selbst zu kümmern, damit es nicht andere tun – über unsere Köpfe hinweg und vielleicht auch nicht in unserem Sinne.«
Vorstand und Vertreterversammlung der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz / Foto: LAK Rheinland-Pfalz
Daniel Stich (SPD), Ministerialdirektor im Landesministerium für Wissenschaft und Gesundheit, bedankte sich in seinem Grußwort für den respekt- und vertrauensvollen Umgang miteinander. Er könne nachvollziehen, dass die Lieferengpässe in den Vor-Ort-Apotheken »ein total großes Frustrationselement« seien. Um das Problem »dem Grunde nach« anzugehen, brauche es aber eine europäische Lösung.
»Das Thema der Vergütung ist eines, bei dem Sie uns an Ihrer Seite haben«, versicherte Stich. Das Berufsbild müsse attraktiv bleiben, der Honorarstillstand seit 10 Jahren sei nicht akzeptabel. Er deutete an, dass »eine Reform der Honorarvereinbarung« angestrebt werde und die Bundesländer dies unterstützten. Ihre Position hätten sie mit dem »16-zu-0-Beschluss« mehr als deutlich gemacht. So forderten die Gesundheitsminister der Länder das BMG bereits im Juli 2023 auf, gemeinsam »neue Finanzierungskonzepte für Apotheken zu erarbeiten«.
Daniel Stich, Ministerialdirektor, zeigt Verständnis für die Honorarforderungen der Apothekerschaft. / Foto: LAK Rheinland-Pfalz
Die sinkende Apothekenzahl veranlasse ihn insbesondere mit Blick auf die ländlichen Regionen zur Sorge. In Rheinland-Pfalz haben laut Kammer innerhalb des letzten Jahres 29 Apotheken geschlossen (Stichtag 1. Oktober 2022/2023). Es liege nicht im Interesse des Ministeriums, »dass es so etwas gibt wie ›Apotheken light‹«, so Stich. Man müsse jedoch abseits der Vergütung überlegen, wie die Apotheke der Zukunft aussehen soll, damit sie ein attraktiver Arbeitsplatz für die kommenden Generationen bleibt. Als Stichworte nannte er die Anzahl der Filialen sowie telepharmazeutische Versorgung.
»Das heißt nicht, dass jede Forderung aus Düsseldorf die richtige ist, aber diesen Prozess zu gestalten, das ist die gemeinsame verantwortliche Aufgabe«, so Stich. Mit Blick auf die Fachkräftesicherung lade das Ministerium zur Diskussion ein, inwieweit man im Rahmen der Delegation – jenseits einer »Apotheke light« – neue Möglichkeiten eröffnen könne. »Das ist ein Plädoyer an Sie, gemeinsam mit uns weiter zu diskutieren, ohne diese Forderungen von vor einigen Wochen eins zu eins zu übernehmen.«
Zwei positive Nachrichten hatte Stich im Gepäck: »Wir haben uns dazu entschieden, einen Neubau der Pharmazie hier an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zu verwirklichen und darüber hinaus auch die Kapazität deutlich ausbauen, von 91 Studienplätzen auf 146 Plätze.« Außerdem soll es einen finanziellen Zuschuss zu einer von Professor Dr. Kristina Friedland geplanten Studie geben, die bereits von der Kammer Rheinland-Pfalz unterstützt wird. Diese behandelt die pharmazeutische Betreuung von Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen auf digitalem Wege und soll im Jahr 2024 starten. Stich: »Da, wo wir selbst in Verantwortung sind, wollen wir unserer Verantwortung auch gerecht werden.«
Pharmazierat Jörg von Ehr ist neues Mitglied im Vorstand der Kammer. / Foto: LAK Rheinland-Pfalz
Mit einer großen Mehrheit wurde Pharmazierat Jörg von Ehr (Trier) in den Vorstand der Kammer gewählt. Die vorherige Inhaberin des Postens, Pharmazierätin Anne Wollscheid-Steffes (Trier), hatte ihr Amt niedergelegt. Für ihr langjähriges Engagement bedankte sich Kammerpräsident Stahl. Von Ehr betonte, dass er angesichts der aktuellen Lage der Apotheken motiviert sei, als Vorstandsmitglied mitzuwirken.
Als Gastreferent berichtete Matthias Lehmann, Leiter Finanzen, Personal und Verwaltung der ABDA, über den Haushalt der ABDA und erläuterte die Hintergründe der 2024 anstehenden Beitragserhöhungen für die Mitgliedsorganisationen, die in Rheinland-Pfalz etwa 18 Prozent betragen. Die Beitragssätze für Mitglieder der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz bleiben hingegen auf dem Vorjahresniveau, wie die Vertreterversammlung beschloss. Eine Neuerung, die zum 1. Januar 2024 ansteht, kündigte Thomas Christmann, Vizepräsident der Kammer, an – das neue Notdienstsystem. In die Notdienstplanung sei viel Arbeit geflossen. »Wir freuen uns, dass wir das auf die Bahn gebracht haben«, ergänzte Vorstandsmitglied Thomas Behr.