Die Wunschliste von Doc Morris |
Alexander Müller |
06.03.2025 12:24 Uhr |
Reiner Kern war lange Pressesprecher der ABDA. Inzwischen arbeitet er für den Versandhändler Doc Morris. / © PZ/Wagenzik
Doc Morris hatte schon Ende 2024 ein »Positionspapier« zur Bundestagswahl veröffentlicht und von der Politik eine Besserstellung des Versandhandels gefordert. Jetzt legt Cheflobbyist Kern im gesundheitspolitischen Informationsdienst »Observer Gesundheit« nach. Zwar steht am Ende des mehrseitigen Dokuments, dass der Autor seine persönliche Meinung vertritt, doch seine Visitenkarte hat Kern zu Beginn des Textes abgegeben. Und darauf steht seit November 2023 »Group Director Communications and Public Affairs, DocMorris AG«.
Unerwähnt bleibt, dass Kern bis Ende 2022 Kommunikationschef der ABDA war. Das hätte dem Beitrag transparenzhalber gutgetan, schließlich bewertet Kern explizit auch die Politikstrategie der Apothekerschaft. Dass er heute andere Positionen vertritt als damals, ist legitim – schließlich wird das Brot, das er isst, jetzt in den Niederlanden gebacken.
In diesem Licht ist auch der »nüchterne Blick auf Zahlen und Fakten« zu bewerten, mit dem Kern so manches »Vorurteil« widerlegen möchte. Dazu zählt er, dass der stetige Rückgang der Apothekenzahl angeblich Auswirkungen auf die Versorgungslandschaft habe. Denn nach den von ihm zitierten Zahlen hat sich der Weg zur nächsten Apotheke nur für etwas mehr als zwei Millionen Menschen verschlechtert. »Die Erreichbarkeit von Apotheken ist im Großen und Ganzen gut und hat durch die Schließungen erstaunlicherweise kaum gelitten«, so sein Fazit.
Dass der Versandhandel »Totengräber der Präsenzapotheke vor Ort« sei, ist aus Kerns Sicht dagegen nur ein seit Jahren gepflegte Vorurteil. Schließlich sei deren Marktanteil gar nicht erheblich gewachsen und verteile sich zudem auf immer mehr deutsche Vor-Ort-Apotheken mit Versandlizenz. Die Zukunft sieht Kern ohnehin in einer »Hybrid-Versorgung«, konkrete Ideen liefert er später.
Zunächst geht er aber auf das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) ein. Da Projekt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat es bekanntlich nicht über den Status des Referentenentwurfs geschafft. Zu groß war innerhalb der Koalition der Widerstand gegen geplante Systembrüche wie die »Apotheke ohne Apotheker«. Kern bemerkt dazu: »Die FDP, in der die alte Liebe zu den freien Heilberufen wieder neu entbrannt war, sprang den Apothekern bei und blockierte die Reform im Kabinett.«
Doch der Lobbyist ist überzeugt, dass es trotzdem Eingriffe in das System braucht, um die Versorgung angesichts von Babyboomer-Shift, Fachkräftemangel und knappen Finanzen zu sichern. Intelligentere Versorgungsmodelle lägen aber noch nicht auf dem Tisch und der Bundestagswahlkampf habe auch keine Zeit geboten »für fein ziselierte Konzepte«. Die von der Union versprochene Reform zur Stärkung der Präsenzapotheken zählt Kern zum Kanon der »reflexhaften Strukturdebatte«, während der wahrscheinliche Koalitionspartner SPD »die eigentlichen Versorgungsfragen« in den Vordergrund stelle. Kern zitiert hier den »Einsatz von Telemedizin und Telepharmazie« aus dem Wahlprogramm.
Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wir berichten mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen für die Apotheken.