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Die Wissenschaft zündelt mit ihrer Seriosität

In der Eile, neue Erkenntnisse über SARS-CoV-2 und Covid-19 mitzuteilen, werden derzeit die bewährten Pfade der wissenschaftlichen Publikation nach vorheriger kritischer Begutachtung vielfach verlassen. Dieser Kontrollverlust ist sehr bedenklich.
Theo Dingermann
13.05.2020  11:30 Uhr

Die durch das neue Coronavirus ausgelöste Pandemie ist von Hektik geprägt. Virologen erklären und streiten um die Interpretations- und Meinungshoheit, Epidemiologen modellieren und präsentieren aus ihren Modellen abgeleitete, für viele schwerverständliche Handlungsoptionen und Politiker preschen mit Entscheidungen vor, die trotz gegenteiliger Schwüre gemeinsame Beschlüsse ignorieren.

Hektik prägt aber auch die Wissenschaft. Bis heute (13. Mai 2020) sind deutlich mehr als 1400 Studien zu verschiedenen Aspekten von Covid-19 bei ClinicalTrials.gov registriert, darunter mehr als 800 interventionelle und randomisierte klinische Studien (RCT). Obwohl die Mehrzahl dieser Studien noch nicht abgeschlossen, noch unvollständig ausgewertet oder noch nicht kritisch begutachtet ist, wurde oder wird über Teilaspekte bereits in sozialen Medien und in der Boulevardpresse berichtet.

Dabei wurde es vielfach nahezu sträflich versäumt, an der bewährten sorgfältigen Planung, Auswertung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Daten nach einem Peer-Review-Prozess festzuhalten. Überhastet wurden Studien initiiert, die unter normalen Umständen so niemals durchgeführt worden wären. Vielfach fehlen Kontrollgruppen oder »echte« Kontrollen, oder es werden und wurden Datensätze miteinander verglichen, die bei kritischer Betrachtung nicht miteinander hätten verglichen werden dürfen. Auf dieses Problem weist auch ein kürzlich in »JAMA« erschienenes Editorial hin.

Die Kommunikationsplattform für wissenschaftliche Ergebnisse bilden längst nicht mehr ausschließlich die bewährten Wissenschaftsjournale. Mittlerweile stehen Preprintserver, von deren Existenz vor Beginn der Pandemie nur wenige Insider Kenntnis hatten, hoch im Kurs. Offensichtlich können es sich selbst renommierteste Forschergruppen nicht mehr leisten, den üblichen, zugegebenermaßen oft mühsamen Weg des wissenschaftlichen Qualitätsmanagements in Form von Peer-Review-Verfahren abzuwarten, ohne Gefahr zu laufen, Priorität zu verlieren. Das wäre nicht einmal ein so großes Problem, wenn denn tatsächlich nur die Besten diese Vorab-Publikationsplattformen nutzen könnten. Das ist aber nicht der Fall. Jeder kann hier seinen Aufsatz einstellen und jeder kann alles lesen.

Wegen des Fehlens bewährter Qualitätsmarker, darunter beispielsweise die Publikation in einem der Top-Wissenschaftsjournale oder eine publikationsbegleitende Erläuterung durch ein Editorial eines anerkannten Fachmanns, muss und kann sich der Interessierte sein eigenes Bild machen. Das wiederum ist eine Spielwiese für diejenigen, die sich nicht um die Details der vorveröffentlichten Studien kümmern und stattdessen bequemerweise unkritisch die Zusammenfassungen der ungeprüften Resultate oder gar nur Auszüge daraus übernehmen. Immer häufiger bilden derart inhaltlich verkürzte und aus dem Zusammenhang gerissene Informationen die Basis für absurde Interpretationen, Sensationsmeldungen und politische Entscheidungen.

Das ist keine gute Nachricht, denn Wissenschaft sollte sich von Sorgfalt und nicht von einer fragwürdigen Hektik leiten lassen. Zudem ist längst nicht ausgemacht, ob sich dieses überhastete Agieren vieler Wissenschaftler auszahlt. Hier wird leichtfertig mit Vertrauen und Glaubwürdigkeit jongliert, Attribute, um die sich die Wissenschaft bisher keinerlei Sorgen machen musste. Anzeichen dafür, dass sich das gerade ändert, sind nicht zu übersehen. Und das hat verheerende Folgen. Denn momentan geht es nicht nur um Vertrauensverlust. Wissenschaftsverdruss in der Bevölkerung ist auch eine Basis für Verschwörungstheorien, die derzeit in besorgniserregendem Ausmaß um sich greifen.

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