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Maus-Studie

Die Umkehr des Alterns

Kann man das Altern stoppen oder gar umkehren? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler ebenso wie Laien. Dem großen Interesse geschuldet, wird an verschiedenen Theorien geforscht und die ein oder andere auch bereits erprobt. US-amerikanische Forscher präsentieren nun einen neuen Ansatz mit eindrucksvollen Resultaten.
Theo Dingermann
09.03.2022  14:00 Uhr

Dass sich eine differenzierte Zelle reprogrammieren, also auf einen ursprünglichen pluripotenten Zustand zurückversetzen  lässt, zeigte bereits der japanische Nobelpreistäger Professor Dr. Shinya Yamanaka. Ihm gelang es, pluripotente Stammzellen aus embryonalen und adulten Fibroblastenkulturen der Maus durch Zugabe definierter Faktoren, den sogenannten Yamanaka-Faktoren (Oct4, Sox2, Klf4 und c-Myc), zu erzeugen. Diese heben die für die Differenzierung der Zellen verantwortlichen epigenetischen Veränderungen auf. Basierend auf diesen bahnbrechenden Vorarbeiten testeten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um Dr. Kristen C. Browder von dem Biotech-Unternehmen Genentech in San Francisco und Dr. Pradeep Reddy vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla eine Reihe von Verjüngungsansätzen an drei Gruppen von Labormäusen unterschiedlichen Alters. Dazu verabreichten sie ihnen in regelmäßigen Abständen Dosen der Yamanaka-Faktoren.

Eine langfristige partielle Reprogrammierung bei den Mäusen führte zu Verjüngungseffekten in verschiedenen Geweben wie der Niere, der Haut und auf der Ebene des Organismus. Dabei bestimmte die Dauer der Behandlung das Ausmaß der positiven Effekte. Die Verjüngungseffekte waren mit einer Umkehrung der epigenetischen Uhr sowie mit metabolischen und transkriptomischen Veränderungen verbunden, einschließlich einer verringerten Expression von Genen, die an den Entzündungs-, Seneszenz- und Stressreaktionswegen beteiligt sind.

Insgesamt deuten die Beobachtungen der Forscher darauf hin, dass partielle Reprogrammierungen so gestaltet werden können, dass sie sicher und wirksam altersbedingte physiologische Veränderungen verhindern. Darüber hinaus kommen die Autoren zu dem Schluss, dass längerfristige partielle Reprogrammierungen bei der Verzögerung von Alterungsphänomenen effektiver sind als kurzfristige.

Die Intervention ist langwierig

Die Experimente zeigten, dass die Verjüngung wirksamer war, wenn die Therapie über einen langen Zeitraum von sieben bis zehn Monaten verabreicht wurde – und zwar ab dem Alter der Tiere von 12 bis 15 Monaten, was einem Alter des Menschen von 35 bis 50 Jahren entspricht. Bei älteren Tieren, deren Alter einem menschlichen Alter von 80 Jahren entsprach, war die Wirkung nur gering, wenn diese einen Monat lang behandelt wurden.

Damit scheint die Aussicht, die biologische Uhr, die den Takt der Alterung vorgibt, ein wenig zurückdrehen können, ein Stück näher gerückt, konstatiert auch »The Guardian«, der dieser Publikation eine Meldung widmet. In diesem Beitrag wird der Eingriff, den die US-amerikanischen Forscher systematisch studierten als eine »Gentherapie« bezeichnet, die ältere Zellen auffrischt, sodass die Effekte tatsächlich durch harte Parameter messbar sind. Das ist nicht korrekt, wenn man den Begriff »Gentherapie« verwendet, wie er momentan verstanden wird. Allerdings kann man die Intervention sehr wohl als eine »Therapie an Genen« bezeichnen. Denn durch die Behandlung mit den Yamanaka-Faktoren wird die epigenetische Signatur, also die Markierung des Genoms durch Methyl- und Acetylgruppen, modifiziert – und zwar in Richtung einer jüngeren Zelle.

»Eine ganze Reihe von altersbedingten Krankheiten könnte von diesem Ansatz profitieren«, sagte Dr. Heinrich Jasper, Principal Fellow und Direktor bei Genentech und Co-Autor der Studie, gegenüber »The Guardian«.

Die Intervention ist nicht unproblematisch

Aber Achtung: Der Einsatz von Yamanaka-Faktoren beim Menschen ist keinesfalls unproblematisch. So haben frühere Arbeiten gezeigt, dass sich vollständig reprogrammierte Zellen zu Teratomen entwickeln können – also zu Tumoren, die aus pluripotenten Stammzellen entstehen. Teratome können sowohl benigne als auch maligne sein. Der Trick scheint also darin zu bestehen, die Reprogrammierung so einzustellen, dass sie partiell erfolgt. Gelingt das, könnten sich Gewebe tatsächlich verjüngen, ohne dass damit hohe Risiken einhergehen. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg zu gehen. Eventuell muss man sogar komplett auf die Proteinfaktoren verzichten und stattdessen neue Medikamente entwickeln, die analog in der Lage sind Zellen zu reprogrammieren.

Ob dies tatsächlich jemals beim Menschen Anwendung finden wird? Dazu sagt Dr. Tamir Chandra, ein Experte für die Biologie des Alterns an der Universität Edinburgh, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber »The Guardian«: »Theoretisch könnte eine biologische Umkehrung oder Verlangsamung des Alters möglich sein. Wir befinden uns jedoch noch in einem sehr frühen Stadium, in dem wir die zugrundeliegende Wissenschaft noch viel besser verstehen müssen. Die Verwendung von Yamanaka-Faktoren birgt das Risiko, Krebs auszulösen, und im Gegensatz zu Mäusen tragen Menschen aufgrund ihrer Lebenserwartung in höherem Alter viel mehr Mutationen in sich, die bereits für die Entstehung von Krebs prädisponieren könnten.« Es wird also noch viel Forschungsarbeit zu investieren sein, um die Risiken, die mit einer solchen Intervention verbunden sein können, realistisch einzuschätzen und möglichst vermeiden zu können.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass eine partielle Reprogrammierung bei alternden Mäusen über einen längeren Zeitraum ohne offensichtliche unerwünschte Wirkungen durchgeführt werden konnte.

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