Die Top 5 der Magen-Darm-Phytos |
Bei einer guten Handvoll Indikationen ist die Datenlage für pflanzliche Arzneimittel für den Gastrointestinaltrakt sehr gut. / Foto: Adobe Stock/ piai
Eine sehr gut untersuchte und evidenzbasierte Zubereitung im Magen-Darm-Bereich ist für Professor Dr. Robert Fürst reines hoch dosiertes Pfefferminzöl (wie Medacalm®, Digestopret®, Buscomint). So gibt es eine ganze Reihe an Wirksamkeitsbelegen für funktionelle Verdauungsstörungen, also Reizmagen und -darm. Diese haben dem Pfefferminzöl auch in der aktuellen S3-Leitlinie Reizdarm eine 1A-Empfehlung eingebracht.
Die gute Wirksamkeit des Phytopharmakons richtet sich gegen die Bauchschmerzen, leichten Krämpfe und Blähungen, die das Beschwerdebild bei Reizdarmpatienten bestimmen. Hauptverantwortlich für die Wirkung scheint das Menthol zu sein. Da es in der Lage ist, den Calcium-Einstrom in die Zelle zu unterbinden, resultiert eine entspannende Wirkung auf die verkrampfte Darmmuskulatur.
Auch von Carmenthin®, das als Wirkstoff eine Kombination aus 90 mg Pfefferminz- und 50 mg Kümmelöl (Menthacarin®) enthält, ist eine spasmolytische Wirkung zu erwarten. »Bei Beschwerden des Reizmagens sehe ich die Kombination vorne«, sagte der Phytopharmakon-Experte der Universität München im Gespräch mit der PZ. Klinische Studien einschließlich mehrerer Metaanalysen bestätigten eine Reduktion gesteigerten Schmerzempfindens im Verdauungssystem nach längerfristiger Einnahme.
Durch die magensaftresistente Verkapselung sowohl der Mono- als auch der Kombipräparate werden die Inhaltsstoffe der ätherischen Öle gezielt in den Darm transportiert. Das verhindert eine Wirkung bereits in der Speiseröhre und im Magen, wo es durch Entspannung des dortigen Schließmuskels zu mentholischem Aufstoßen und Sodbrennen kommen könnte. Dennoch könne es laut Fürst zu Verträglichkeitsproblemen bei empfindlichen Personen kommen.
Der Klassiker zur Therapie funktioneller und motilitätsbedingter Magen-Darm-Erkrankungen ist Iberogast®; die Evidenzlage ist ausgezeichnet. Und auch die S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom stuft die fixe 9er-Pflanzen-Kombination mit der Bitteren Schleifenblume (Iberis amara) als namensgebenden Bestandteil als evidenzbasierte Therapieoption bei schmerzbetonten Reizdarmtypen ein.
Das gilt auch für die Schwester von Iberogast® Classic: Die Advance-Variante enthält nur sechs der neun angestammten Heilpflanzen. In der Spezialextraktmischung STW5-II fehlen die Komponenten Angelikawurzel, Mariendistelfrüchte und Schöllkraut. Der Sechser-Pflanzenextrakt basiert auf einer zugelassenen Variante der Originalrezeptur. Bereits in den klinischen Studien, die damals die Wirksamkeit des Neuner-Extrakts bei funktioneller Dyspepsie und Reizdarm belegten, wurden der Schöllkraut-freie Extrakt mitgetestet. Dass der Sechser-Extraktvariante vorrangig schleimhautprotektive, antientzündliche und desensibilisierende Effekte zugeschrieben werden und sie deshalb für die längerfristige Anwendung besonders geeignet sein soll, erscheint Fürst dagegen nicht so recht schlüssig.
»Evidenzbasierte Empfehlungen gibt die S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom neben der Iberis-amara-Fixkombination und Pfefferminzöl auch zu Indischen Flohsamenschalen (wie Mucofalk®)«, merkt Fürst an. Letztere hat für die Indikation »Unterstützung bei Reizdarmsyndrom vom obstipativen Typ« den Status des well-established use inne. Wie wendet man die Ballaststoffe günstigstenfalls an?
»Es zählt vor allem die ausreichende Menge Droge und die ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren wird eine tägliche Gesamtdosis von 7 bis 20 Gramm verteilt auf eine bis drei Einzelportionen empfohlen. Zusätzlich braucht es genügend Flüssigkeit von mindestens 30 ml Wasser pro Gramm Droge.« Die Monographie weist auch auf Interaktionen hin: Es muss ein Mindestabstand von einer Stunde vor und nach der Einnahme anderer Arzneimittel eingehalten werden, damit die Resorption dieser Arzneistoffe nicht beeinträchtigt wird.
Als belegt sieht Fürst den Einsatz von Ingwerwurzelstock (wie Zintona®) bei der Indikation Reiseübelkeit. Die Monographie des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA ordnet die gepulverte Droge dem well-established use zu. Die Wirksamkeit von 1 bis 2 Gramm eine halbe bis eine Stunde vor der Reise eingenommen ist bei Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren belegt. »Interessant ist, dass hier nicht der Extrakt, sondern ein Pulver positiv bewertet wird. Einen Extrakt könnte man wohl niedriger dosieren oder die Patienten könnten bei einem Extrakt weniger Volumen einnehmen. Leider ist das Präparat diesbezüglich nicht weiterentwickelt worden. In einem Extrakt mit einer angereicherten Fraktion von Scharfstoffen würde ich Vorteile sehen«, wertet Fürst.
Potenzial hat der Einsatz von Ingwerwurzelstock laut des Pharmazeutischen Biologen auch bei der schwangerschaftsbedingten Übelkeit. »Es gibt Studien mit Schwangeren – was sehr positiv ist. Deren Ergebnisse waren jedoch sehr heterogen. Sicherheitsbedenken gab es dagegen nicht. Insofern betrachte ich den Ingwerwurzelstock als eine Option. In der Apotheke ist dahingehend zu beraten, ob sich die Schwangere damit wohl fühlt.«
Für gallebedingte Verdauungsstörungen hat die EMA Trockenextrakten aus Blättern der Artischocke den well-established use nicht anerkannt. Dennoch gibt es laut Fürst zumindest eine klinische Studie, die mit Hepar® SL forte durchgeführt wurde und laut der »es sinnvoll ist, über den Einsatz in diesem Bereich nachzudenken«.
Er hält die Artischocke zur Unterstützung der Gallefunktion und damit bei dyspeptischen Beschwerden für eine wertvolle Arzneipflanze. »Durch die galletreibende Wirkung kommt es auch zu einer leichten Senkung des Cholesterinspiegels. Das ist eine Option für Patienten, die an der Grenze zu einem Statin sind, wenn Lebensstiländerungen angedacht sind. Am besten in Kombination mit Flohsamenschalen kann man einiges erreichen. Hier kann man mit der Phytotherapie evidenzbasiert unterstützen.«
Auch zu bereits lange bekannten Heilpflanzen kann es neue Fakten geben. So kann Fenchel möglicherweise höhere Konzentrationen der kanzerogen wirksamen Substanz Estragol enthalten. Fencheltee sollte daher nicht von Kindern bis zum Alter von vier Jahren und nicht von Stillenden getrunken werden. Darauf wies die Europäische Arzneimittelagentur EMA im Mai vergangenen Jahres hin. Die Substanz führte in Tierversuchen in hohen Dosen zu Krebs in der Leber. Da der Estragol-Gehalt im Fenchelöl stark schwanken kann, wird bei kleinen Kindern und Stillenden vorsorglich von der Anwendung von Fencheltee abgeraten. Generell sollte bei Kindern bis zum elften Lebensjahr Fencheltee nur zurückhaltend zum Einsatz kommen, so die EMA.
»Die Estragol-Problematik ist schon länger bekannt, allerdings unter experimentellen Bedingungen. Forschungsprojekte müssen nun genauer untersuchen, wie viel Estragol durch Teezubereitungen überhaupt aufgenommen wird, um relevante toxikologische Einschätzungen geben zu können. Besonders die innerliche Anwendung von reinem Fenchelöl wird immer kritischer gesehen«, wertete Fürst.