Die Natur ist ihre Apotheke |
Jennifer Evans |
16.09.2024 07:00 Uhr |
Kräuter sammelt Stefanie Hertel für Tees oder verfeinert damit Gerichte. In ihrer bayerischen Wahlheimat wachsen viele Pflanzen gleich vor der Haustür. / © GU/Kerstin Joensson
PZ: Bei welchen Leiden würden Sie immer auf Kräuter setzen?
Hertel: Bei vielen kleineren Wehwehchen oder Entzündungen würde ich es erst mal mit Kräutern versuchen. Das hat sich zumindest bei mir bewährt. Wenn es um eine schwerwiegende Erkrankung geht oder eine Erkältung nicht abklingt, sollte man auf jeden Fall einen Arzt oder einen Apotheker aufsuchen.
PZ: Wann hat Sie die Heilwirkung eines Krauts einmal richtig beeindruckt?
Hertel: Ich hatte ein Erlebnis mit einem Kameramann, der wegen seiner Allergie Sorge vor einem Wespenstich hatte. Und dann wurde er beim Filmen draußen gestochen. Ich habe ihm Breitwegerich auf den Stich gerieben und gelegt. Die Pflanze steht ja praktisch an jedem Wegesrand und durchdringt manchmal sogar Asphalt. Der Kameramann war total überrascht und erstaunt, dass seine Hand überhaupt nicht angeschwollen ist. Und ich selbst habe mal Bärentraubenblätter als Tinktur auf Pigmentflecken aufgetragen. Das hat bei mir nachhaltig geholfen. Gänseblümchen als Gesichtswasser für reineren Teint habe ich auch selbst schon angewendet. Und mein Vater hat immer auf Brennnesseln und Haarwasser aus Brennnessel-Wurzeln gegen Haarausfall geschworen.
PZ: Wer hat Sie in die Welt der Kräuter eingeführt?
Hertel: Zum einen meine Oma Erna und meine Mama Elisabeth und zum anderen zwei Kräuterlehrer. Fritz Irlacher ist heute noch mein wichtigster Kräuterlehrer, mit dem ich schon viele Spaziergänge gemacht habe. Er war Bürgermeister der Gemeinde Schleching und ist ein absoluter Naturmensch. Erst vor Kurzem kam ich außerdem mit Babette Györi in Kontakt, eine gelernte Kräuterpädagogin.
PZ: Was nehmen Sie gegen schlechte Laune ein?
Hertel: Johanniskraut ist mein Gute-Laune-Kraut. Es bringt mich schnell wieder in Schwung. Das Extrakt ist auch in vielen Medikamenten enthalten, weil es die Psyche stärkt und stimmungsaufhellend wirkt. Und ich liebe auch den Geschmack. Ich trinke es als Tee daher auch gern vor dem Zubettgehen. Meine Mutter hat mich früher im Vogtland das ein oder andere Mal abends losgeschickt, um diese Pflanze für den Abendtee zu sammeln.
PZ: Gibt es Kräuter, die Ihnen gar nicht schmecken?
Hertel: Da fällt mir nichts ein. Natürlich sind Kräuter manchmal etwas bitter oder schmecken sehr würzig. Das mag ich aber. Ich bereite viele Speisen damit zu. Kräuter machen die Gerichte in meinen Augen erst richtig schmackhaft. Außerdem sind viele Kräuter basisch, was ja auch der Gesundheit zugutekommt.
PZ: Verbinden Sie Rituale mit Kräutern?
Hertel: Ja, ich liebe Kräutertees. Eine Kanne davon gibt es bei mir jeden Morgen – noch vor dem Kaffee. Außerdem verschenke ich gerne meinen 21-Kräuter-Schnaps, in den letztlich auch meine selbst gesammelten und getrockneten Teekräuter kommen. Dazu gehören Brennnesselblätter, Brombeer- und Himbeerblätter, Dost, Fichtentriebe, Frauenmantel, Gundermann, Hollerblüten, Huflattich, Johanniskraut, Kornblumen, Melisse, Salbei, Schafgarbe, Spitz- und Breitwegerich, Taubnessel, Wilde Minze, Wilder Thymian. Die Zutaten variieren allerdings auch mal ein bisschen, wenn ich zum Beispiel ein Kraut verpasst habe, weil ich unterwegs war. Inzwischen gibt es meinen Kräuterschnaps sogar zu kaufen und er hat schon bei der ein oder anderen Magenverstimmung oder gegen Halsweh geholfen. Gerne nutze ich auch Blutwurz. Der Farbstoff aus den Wurzeln bringt einen wunderschönen rotbraunen Ton sowie ein bittersüßes Aroma in den Schnaps.
PZ: Sie haben das Kräuterwissen von Ihrer Großmutter. Geben Sie es nun auch an Ihre Tochter Johanna weiter?
Hertel: Ja schon. Sie findet es auch alles ganz spannend und fragt viel nach. Doch Johanna hat vor allem das Backtalent von der Großmutter und ihren Urgroßmüttern geerbt und verwöhnt uns gern mit süßen und herzhaften Leckereien.
PZ. Greifen Sie bei den Kräutern auch mal auf Apothekenprodukte zurück?
Hertel: Ja, weder in meiner Heimat im Vogtland noch in meiner Wahlheimat im Chiemgau habe ich jemals Wilde Kamille gefunden. Die kaufe ich in der Apotheke. Ich empfehle das auch jedem, wenn er sich mit Kräutern noch nicht so gut auskennt. In dem Dorf, wo ich zu Hause bin, gibt es auch eine tolle Apotheke. Das Verhältnis zu den Mitarbeitern ist freundschaftlich und dort greift man, wenn möglich, auch auf natürliche Heilmittel zurück und setzt nicht gleich auf harte Chemiekeulen.
PZ: Gäbe es eine Packungsbeilage zu Ihrer Person. Was würde darin stehen?
Hertel: Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Ehemann. Ansonsten bin ich gut verträglich, komme mit fast jedem Menschen klar. Außerdem bin ich ein positiver Mensch und harmoniesüchtig.
PZ: Gibt es Termine, für die Sie Baldrian brauchen?
Hertel: Lampenfieber habe ich schon als Kind nicht gehabt, wenn ich auf die Bühne ging. Wenn ich doch mal ein wenig aufgeregt bin, meditiere ich oder mache Entspannungsübungen.
PZ: Welchen Stellenwert hat gesunde Ernährung in Ihrem Leben?
Hertel: Ich ernähre mich sehr gerne gesund und bin seit 25 Jahren Vegetarierin. Und ich bin ein richtiger Genussmensch. Ich sage mir immer: So lange alles in Maßen ist, ich mein Essen genieße und es mir gut dabei geht, ist das alles in Ordnung.
PZ: Warum sind Sie Vegetarierin geworden?
Hertel: Mit Massentierhaltung bin ich überhaupt nicht einverstanden. Ich habe auch das Gefühl, ich kompensiere mit meinem Lebensstil im natürlichen Gleichgewicht etwas, was andere Menschen zu viel machen. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn jemand Fleisch isst, man sollte nur genau darauf achten, woher es kommt, wie artgerecht das Tier gehalten wurde und dann auch den entsprechenden Preis dafür zahlen. Ich selbst bin in der glücklichen Lage, dass ich direkt beim Bio-Bauernhof in der Nachbarschaft einkaufen kann.