Die Mühlen der Fake-Wissenschaft |
Annette Rößler |
22.08.2025 11:00 Uhr |
Dass die tortured Phrases dabei durchaus eine gewisse Komik entfalten können, zeigt der Problematic Paper Screener, ein Tool, das drei Computerwissenschaftler aus Frankreich und Kanada entwickelt haben. Stilistische Perlen, die der Problematic Paper Screener aufgespürt hat, sind etwa die »Joined Together States« für »United States« (Vereinigte Staaten), »Bosom Peril« anstelle von »Breast Cancer« (Brustkrebs), »Kidney Disappointment« statt »Kidney Failure« (Nierenversagen) oder auch »Lactose Bigotry« für »Lactose Intolerance« (Lactoseintoleranz).
Ein ernsthafter Peer Reviewer wird solche Grotesken sofort erkennen und entsprechend reagieren, indem er das eingereichte Paper höchstwahrscheinlich ablehnt. Die Tatsache, dass der Problematic Paper Screener immer wieder in veröffentlichten Artikeln fündig wird, zeigt aber, dass der Prozess der wissenschaftlichen Begutachtung offenbar nicht überall gewissenhaft vonstatten geht. Wie die Entwickler des Problematic Paper Screener Anfang 2025 auf der Plattform »The Conversation« berichteten, nutzen bereits einige wissenschaftliche Redaktionen das Tool standardmäßig, um Fake-Einreichungen zu identifizieren.
Richardson und Kollegen fanden heraus, dass bestimmte Forschungsfelder für Fälscher besonders attraktiv sind. So seien Publikationen mit den Schlagworten »lncRNA« (long non-coding RNA) sowie »miRNA« (micro RNA) in Kombination mit »Krebs« häufiger betroffen gewesen als andere – wahrscheinlich, weil nicht codierende RNA-Abschnitte als eine Art von Masterregulatoren angesehen würden, die man leicht mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung bringen könne.
Es sei zu befürchten, dass die Erzeugnisse von Paper Mills der Wissenschaft in einigen Bereichen bereits irreparablen Schaden zugefügt hätten, so die Autoren. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass gefälschte Artikel die Ergebnisse von Metaanalysen verzerren. Auch Programme mit künstlicher Intelligenz (KI) können Fake-Artikel nicht erkennen und beziehen sie in Zusammenfassungen des Stands der Forschung gleichwertig mit seriösen Publikationen ein.
Um dem Problem entgegenzuwirken, müssten bestimmte Abläufe im etablierten Wissenschaftsbetrieb rasch grundsätzlich verändert werden, so das Team. Ob das gelingen kann, erscheint jedoch fraglich, denn die Autoren konstatieren ebenfalls, dass dafür das Engagement vieler einflussreicher Akteure notwendig wäre, die vom jetzigen Status quo profitieren.
Es ist kein neues Phänomen, aber ein Problem von steigender Relevanz und erheblicher Lukrativität: Publikationen mit erfundenen Forschungsresultaten. Das nennt man Fälschen – und es ist noch eine gewaltige Steigerung von Plagiieren, von dem man vielleicht eher hört, weil oft Personen des öffentlichen Lebens im Zentrum von Plagiatsvorwürfen stehen.
Fälschen ist für die Wissenschaft eine Seuche, nicht nur, weil sich hier Forschende mit fremden Lorbeeren schmücken und sich auf dieser Basis gegenüber Konkurrenten durchsetzen und eine Karriere erschleichen. Schlimmer noch ist der Schaden, den solche Arbeiten verursachen, nämlich dann, wenn auf Basis der erfundenen Daten Hypothesen und weiterführende Forschungsansätze formuliert und konzipiert werden.
Ironischerweise wurde diese Entwicklung beschleunigt durch einen gnadenlosen Wettbewerb unter den wissenschaftlichen Institutionen und den Wissenschaftlern selbst. »Exzellenz« ist für viele ein kaum erreichbares Ziel, wenn man regelgerecht arbeitet. Dass da unlautere Praktiken verlockend klingen, ist fast schon plausibel.
Viele, die seriös arbeiten, geraten dabei ins Hintertreffen. Aus einer solchen Situation resultieren leider nur Verlierer.
Theo Dingermann, Senior Editor PZ