Die Gefahren im neuen EU-Patentrecht |
Jennifer Evans |
17.10.2023 12:00 Uhr |
Ergänzende Schutzzertifikate sollen den EU-Patentmarkt harmonisieren. Die geplante Ausgestaltung lässt jedoch noch Fragen offen. / Foto: Adobe Stock/splitov27
Auch im Bereich Patentrecht will die EU in den Mitgliedstaaten ein einheitlicheres System schaffen. Für den Arzneimittelmarkt spielen dabei die sogenannten Supplementary Protection Certificates (SPC) eine Rolle. Das sind ergänzende Schutzzertifikate, praktisch eine Finanzspritze für Patentinhaber. Und zwar für die Fälle, in denen der Schutz des geistigen Eigentums zwar schon greift, das Präparat aber noch nicht auf dem Markt ist.
Ziel der EU-Kommission ist es, damit die Zeit zwischen Patentanmeldung und Marktzulassung etwas zu entspannen. Denn häufig vergehen währenddessen mehr als acht Jahre. Der erste Verordnungsvorschlag zum Thema SPC stammt aus dem April dieses Jahres.
Weil die Angelegenheit unter die Subsidiaritätsprüfung fällt, redet auch der Bundesrat bei dem EU-Vorschlag ein Wörtchen mit. Den zuständigen Ausschüssen, also dem Ausschuss für Fragen der Union sowie dem Gesundheitsausschuss, sind allerdings einige Punkt noch nicht ganz klar: Gilt das neue SPC-Schutzzertifikat nun auch für Wirkstoffkombinationen, wenn einer oder mehrere dieser Wirkstoffe bereits ein Zertifikat besitzen? Da derzeit inhaltlich ähnliche Themen noch auf eine Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) warten, lautet die Empfehlung, zunächst die EuGH-Ergebnisse zunächst abzuwarten.
Für Anstoß sorgen darüber hinaus die geplanten Einspruchsmöglichkeiten bei den SPCs. Diese sollen nämlich schon während des Antragsverfahrens möglich sein und könnten so praktisch ein Verfahren bis zum Ende des Grundpatents verzögern, so die Kritik. Die Ausschüsse warnen vor Missbrauch. Sie plädieren stattdessen dafür, dass ein Zertifikate künftig erst dann angefochten werden kann, nachdem es tatsächlich erstellt ist.
Warum die EU-Kommission Fertigarzneimittel, die bereits in Deutschland zugelassen sind, nicht vom SPC-Verfahren ausschließt, ist ebenfalls ein Knackpunkt. Generell, finden die Ausschüsse, sollten nur jene Arzneimittel ein SPC-Verfahren erhalten, die zuvor das Prozedere der zentralen EU-Marktzulassung durchlaufen haben.
Die neuen Vorschriften gelten gleichermaßen für Hersteller von Nachahmer-Präparaten mit Sitz in der EU. Das bedeutet Biosimilar- und Generika-Unternehmen können demnächst schon für den Export produzieren, wenn das Original-Arzneimittel in der EU noch durch ein Zertifikat geschützt ist. Brüssel will damit unter anderem die Schieflage der EU-Hersteller im Wettbewerb beseitigen.
Im Prinzip will der Bundesrat dasselbe. Daher halten seine Ausschüsse auch all jene Vorschläge für kontraproduktiv, »die dazu führen, dass die Attraktivität der EU als Markt für Arzneimittel und Wirkstoffe weiter abnimmt«. Stattdessen sollten die Rahmenbedingungen für Pharmaunternehmen so gestaltet sein, dass die Industrie perspektivisch mehr statt weniger Produkte auf den Markt bringt, heißt es. Vor allem deshalb, weil in Europa aktuell bereits zahlreiche Arzneimittel und Wirkstoffe von Lieferengpässen betroffen seien.
Am kommenden Freitag steht das Thema erst einmal auf der Agenda für die Plenarsitzung des Bundesrats.