Die »Freie Apothekerschaft« zieht vor Gericht |
Lukas Brockfeld |
23.04.2024 14:38 Uhr |
Mit Unterstützung der »Freien Apothekerschaft« verklagt der Apotheker Yannick Detampel die Bundesrepublik Deutschland. / Foto: Freie Apothekerschaft e.V. / Screenshot
Daniela Hänel ist Vorsitzende der »Freien Apothekerschaft« und machte auf einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag noch einmal auf die schwierige Situation der Offizinen aufmerksam. In den vergangenen Monaten habe man Vieles versucht. So seien beispielsweise Gespräche mit Politikern geführt, Briefe geschrieben, Proteste organisiert und die Apotheken vor Ort geschlossen worden.
»Da all diese Maßnahmen nicht erhört wurden und der amtierende Gesundheitsminister sich auf X und verbal gegen die Apotheken vor Ort äußert. Da er seine Apothekenreform allein und ohne Zusammenarbeit mit der Standesvertretung und pharmazeutischen Berufsverbänden umsetzen will, haben wir uns entschlossen, den Weg der Klage zu gehen«, erklärte Hänel.
Da der Verein selbst nicht klagen kann, reichen vier Apothekerinnen und Apotheker stellvertretend eine Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. In dem Rechtsstreit, der mehrere Jahre dauern dürfte, werden sie von der »Freien Apothekerschaft« unterstützt. Das Ziel des Verfahrens ist eine Anpassung des Fixhonorars an die Kostenentwicklung der Apotheken.
Yannick Detampel ist einer der vier klagenden Apotheker. Der 31-Jährige ist seit 2020 Inhaber der Holsten-Apotheke im schleswig-holsteinischen Schacht-Audorf. Gerade in der Corona-Zeit habe er gemerkt, dass die Politik von den Apotheken viel verlange, ohne dass das Engagement entsprechend wertgeschätzt werde. Die hohe Inflationsrate seit 2022 habe die Situation nochmals verschärft. Die Bundesregierung gebe zwar für viele Dinge Geld aus, habe dies aber offenbar nicht für die kritische Infrastruktur in Deutschland übrig.
»Ich habe daher angefangen, in die Gesetzblätter zu gucken, was es für Möglichkeiten gibt. Eigentlich steht in der Arzneimittelpreisverordnung, dass sich das Bundesministerium für Wirtschaft dazu verpflichtet, die Vergütung der Apotheken regelmäßig zu überprüfen«, erzählte der junge Apotheker. Es sei leider offensichtlich, dass eine entsprechende Überprüfung nicht stattfinde.
Detampel informierte sich daraufhin über die juristischen Optionen und kontaktierte mehrere Anwälte. Mit seiner Stammkanzlei »Brock Müller Ziegenbein« habe er einen passenden Partner gefunden. Da ein entsprechender Rechtsstreit aufwendig und teuer sei, habe man erstmal mit einem Kurzgutachten die juristischen Möglichkeiten ausgelotet.
»Es hätte einen zeitlichen und finanziellen Aufwand benötigt, den ich alleine nicht bewältigen könnte. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als die Freie Apothekerschaft auf mich zu kam, um mich zu unterstützen«, erzählte Detampel. Der Verein habe viel Zeit und Geld investiert, um die Klage nach vorne zu bringen. Der Apotheker ist sich sicher, dass man vor Gericht gute Erfolgsaussichten habe, »man muss halt nur das Durchhaltevermögen haben«.
Mit dem Verfahren wurde Dr. Fiete Kalscheuer beauftragt. Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht betonte, dass es nicht darum gehe, eine bestimmte Summe einzuklagen. »Es geht um die Feststellung, dass das Recht der Kläger auf Anpassung des Fixhonorars an die tatsächliche Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung verletzt ist.« Eine allgemeine Leistungsklage auf Zahlung einer bestimmten centgenauen Summe sei wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht in Frage gekommen, da die konkrete Höhe des Fixhonorars eine politische Abwägungssache sei.
Die Klage richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland und wird in erster Instanz vom Verwaltungsgericht Berlin entschieden. Das Gericht müsse laut Kalscheuer feststellen, ob es ein subjektives Recht auf eine Anpassung des Honorars gäbe und ob dieses bisher durch die Bundesregierung verletzt wurde.
Im Jahr 2003 sei das Fixhonorar von der Bundesregierung auf 8,10 Euro festgesetzt worden. In der Gesetzesbegründung sei eine periodische Überprüfung alle zwei Jahre vorgeschrieben worden, um das Honorar regelmäßig an die Inflation anzupassen. Für die Überprüfung ist das Wirtschaftsministerium zuständig. Bisher wurde das Fixhonorar allerdings nur einmal auf 8,35 Euro erhöht. »Es ist also seit 20 Jahren nicht zu einer vernünftigen Überprüfung oder einer Anpassung des Honorars gekommen«, betonte der Rechtsanwalt. Dabei mache das Fixhonorar einen Großteil der Einnahmen der Apotheken aus.
Der Jurist rechnete vor, dass das Fixhonorar aufgrund der Inflation seit 2003 inzwischen bei 11,78 Euro liegen müsse. Bedenkt man, dass den Apotheken in den vergangenen Jahren diverse Beratungsaufgaben übertragen wurden, müsse das Honorar sogar bei 14,14 Euro liegen.
Dr. Kalscheuer denkt, dass die Klage gute Aussichten auf Erfolg hat. Er rechnet jedoch auch mit einem langen Rechtsstreit. Die mündliche Verhandlung am Verwaltungsgericht dürfte erst in zwei bis drei Jahren stattfinden. Sollte die Klage sogar bis vor das Bundesverwaltungsgericht oder gar das Verfassungsgericht gehen, sei eine finale Entscheidung sogar erst in zehn Jahren denkbar.
Neben der erwartbaren langen Verfahrensdauer könnte auch ein Gutachten aus dem Jahr 2017 für Probleme sorgen. Die Unternehmensberatung 2hm kam seinerzeit zu dem Schluss, dass das Fixum sogar zu hoch sei. Die Apothekerseite muss also damit rechnen, dass dieses Gutachten im Prozess wieder hervorgeholt wird. Dem entgegensetzen will die »Freie Apothekerschaft« ein eigenes Gutachten, das vom Ökonomen Andreas Kaapke erstellt wurde.