Die drei A der Therapie |
Die Leitlinienautoren verfolgen bezüglich des Einsatzes von Antibiotika die Strategie des vorsichtigen Abwartens («wait and watch«). Diese Vorgehensweise setzt allerdings eine gute Aufklärung und Absprache mit den Eltern voraus. So sei es vertretbar, bei Kindern von einem halben Jahr bis zu zwei Jahren die ersten 24 Stunden, bei Kindern ab zwei Jahren bis zu 48 Stunden, beobachtend abzuwarten. Erst wenn danach keine Besserung eintritt oder sich der Gesundheitszustand gar verschlechtert, kommen Antibiotika zum Einsatz. Um eine Wiedervorstellung in der Praxis zu vermeiden, schlägt die Leitlinie ein Reserve-Rezept vor: Der Pädiater verordnet vorsorglich ein Antibiotikum, das die Eltern erst dann einlösen, wenn die Ohrenschmerzen nach den genannten Zeitspannen noch anhalten.
Diese abwartende Strategie gilt nicht für Säuglinge unter sechs Monaten oder Kinder mit Begleit- oder Grunderkrankungen, wie Diabetes oder Immunschwäche oder früheren Komplikationen einer Otitis media. Auch bei Patienten unter zwei Jahren mit beidseitigen Beschwerden oder mit immer wiederkehrenden Infekten sollte der Arzt leitliniengemäß sofort eine antibiotische Therapie einleiten.
Mittel der Wahl ist dabei Amoxicillin. Bei Erregern mit erhöhter Betalactamase-Aktivität wie Hämophilus, Streptococcus pneumoniae oder Moraxella ist mit Clavulansäure zu kombinieren. Bei Penicillinallergie sollte der Arzt auf Makrolide wie Erythromycin oder Azithromycin ausweichen. Neben den Breitbandpenicillinen bieten sich orale Cephalosporine wie Cefuroxim, Cefaclor oder Cefixim an.
Im Beratungsgespräch sind die Eltern darüber zu informieren, dass auch die sofortige Gabe eines Antibiotikums keinen Einfluss auf die Schmerzreduktion hat. Die begleitenden Schmerzmittel sind deshalb angezeigt, da sich die Schmerzdauer durch Antibiotika nicht wesentlich verkürzen lässt, lediglich von 3,3 auf 2,8 Tage, wie eine Studie zeigt. Auf keinen Fall hat eine Antibiotikabehandlung Einfluss auf die Schmerzstärke in den ersten 24 Stunden.
Drei bis vier Wochen nach Therapiebeginn sollten die Eltern einen Nachsorge-Termin wahrnehmen, bei dem auch die Überprüfung des Hörvermögens auf dem Programm steht. Der Erguss, der sich hinter dem Trommelfell gebildet hat, braucht etwa drei bis vier Wochen, um abzufließen. Solange bleibt auch die Hörminderung bestehen.
Im Jahr 2022 wurden in Deutschland rund 31 Millionen Verordnungen über Antibiotika im Wert von 733 Millionen Euro zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet. Das ist etwas mehr als in den beiden Vorjahren, den Pandemie-Jahren 2020 und 2021, aber immer noch etwa 10 Prozent weniger als im Vor-Pandemie-Jahr 2019 (da waren es 34 Millionen Verordnungen). Ähnliches gilt für die Verordnungsdaten von Reserveantibiotika, teilte das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) Anfang Februar mit. Reserveantibiotika würden immer noch zu häufig verordnet.
Zu den Standardantibiotika zählt das WIdO alle Basispenicilline bis auf Temocillin, Amoxicillin plus Beta-Lactamase-Inhibitor, Flucloxacillin und Sultamicillin, die beiden Makrolide Erythromycin und Clindamycin, alle Tetrazykline bis auf Tigecyclin, Metronidazol, Nitrofurantoin, Fosfomycin, Oralcephalosporine und bei den parenteralen Antibiotika Amoxicillin und Ampicillin jeweils mit Beta-Lactamase-Inhibitor. Alle anderen inklusive Cephalosporine, Folsäureantagonisten und Chinolone gehören zu den Reserveantibiotika.
Das WIdO befürchtet, dass die Arzneimittel-Lieferengpässe die Resistenzproblematik weiter verschärfen könnten, wenn von der Standardtherapie abgewichen werden muss. Vor allem betroffen waren und sind Standardantibiotika wie Amoxicillin, Phenoxymethylpenicillin und Ampicillin, aber auch Reserveantibiotika wie Cotrimoxazol und Cefaclor.