Diazepam-Dauergebrauch greift Synapsen an |
Laura Rudolph |
14.03.2022 09:00 Uhr |
Neben der Einnahmedauer scheint auch die Dosis eine Rolle zu spielen. Offenbar verursachen niedrigere Diazepam-Dosen weniger kognitive Defizite: In einem ähnlichen, placebokontrollierten Experiment, in dem Thy1-eGFP-Mäuse acht Wochen lang eine anxiolytische Dosis (1 mg pro kg Körpergewicht) Diazepam erhielten, zeigte sich ein Dornendichte-Verlust, der innerhalb von drei Wochen nach Absetzen ausgeglichen werden konnte. Während die Mäuse im NORT-Test deutlich schlechter abschnitten als die Placebogruppe, zeigte die Interventionsgruppe beim SAT keine signifikanten Beeinträchtigungen.
Doch wodurch wird der Diazepam-bedingte Dichteverlust der dendritischen Dornen verursacht? Die Forscher vermuten die Bindung an TSPO als Auslöser: Die Verabreichung eines TSPO-Liganden (XBD173) ohne Affinität zu GABAA-Rezeptoren führte zu den zuvor bei Diazepam-Gabe beobachteten plastischen Veränderungen der Synapsen von ähnlich langer Dauer. Dagegen zeigten sich bei TSPO-Knockout-Mäusen, welche das Protein nicht mehr exprimieren können, nach Diazepam-Gabe unabhängig von Dauer und Dosierung keine Beeinträchtigung der Plastizität dendritischer Dornen.
Vermittler dieses zellulären Effekts von TSPO sind vermutlich Mikroglia, bestimmte Immuneffektorzellen des zentralen Nervensystems. Mäuse, die zwei Wochen lang mit Diazepam (5 mg pro kg Körpergewicht) behandelt wurden, zeigten ein erhöhtes TPSO-Signal bei der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) auf. Nach Anfärben von TPSO zeigten sich Mikroglia als Hauptquelle.
Hinter dem Verlust der dendritischen Dornen vermuten die Forscher eine immunologische Ursache: Die Bindung von Diazepam an mikrogliales TSPO führt neben einer erhöhten Expression des Komplementsystem-Proteins C1q in den Mikroglia auch zu einer vermehrten C1q-Ablagerung an den dendritischen Stacheln. In der Folge werden diese vermehrt phagozytiert und ihre Dichte nimmt ab. Dies führt letztendlich zu den kognitiven Beeinträchtigungen bei einer langfristigen Benzodiazepin-Einnahme. Allerdings stehen noch weitere Studien aus, um diese komplexen Zusammenhänge weiter zu erforschen. Weitere Erkenntnisse könnten aus Sicht der Forscher dazu beitragen, nebenwirkungsärmere Sedativa ohne TPSO-Affinität zu entwickeln.