»Diagnose-Gap« beim Lipödem |
Das Lipödem tritt praktisch ausschließlich bei Frauen auf. Dabei kommt es zu einer Vermehrung des Unterhautfettgewebes. / Foto: Getty Images/draganab
Das Lipödem trifft nahezu ausschließlich Frauen. Es ist weitverbreitet, bleibt aber häufig unerkannt oder wird mit Adipositas verwechselt. Die Ursachen der chronischen Krankheit, bei der es zu einer drastischen Vermehrung und Vergrößerung von Fettzellen kommt, sind noch immer weitgehend unklar.
Der Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie am Uniklinikum Münster, Professor Dr. Tobias Hirsch, spricht von einem »Diagnose-Gap« von oft rund 20 Jahren, bis das Lipödem richtig erkannt werde. »Wir wissen zu wenig über diese Krankheit und was genau im Körper passiert.« Klare Zahlen zu Betroffenen gebe es nicht, die Dunkelziffer sei hoch.
Unstrittig: »Ein relevanter Teil der weiblichen Bevölkerung ist betroffen.« Es gebe wenig spezialisierte Ärzte, bei denen es zudem zu extremen Wartezeiten komme. »Wir gehen von einer genetischen Veranlagung und hormonellen Triggern aus, und dass das Lipödem in hohem Maße Diät-resistent ist.« Trotzdem spiele Ernährung eine Rolle. Manchmal komme Adipositas noch obendrauf.
Das Lipödem wird je nach Fettgewebemenge in die Stufen I bis III unterteilt. Im dritten Stadium kann der Umfang so enorm sein, dass das Gewebe über die typischerweise schmal bleibenden Knie-, Hand- und Fußgelenke hinüberhängt. Bei manchen verharre das Lipödem aber auch in Stadium I oder II, erläutert Hirsch, der im Gesundheitsausschuss des Bundestags als Sachverständiger eine bessere Versorgung angemahnt hatte.
Die Stufen-Einteilung nach Fettmasse hält er für sehr problematisch, denn der Schmerz sei das zentrale Symptom. »Es kann sein, dass eine Patientin mit noch schlanken Beinen im Stadium I sehr viel stärkere Schmerzen hat als eine Frau im Stadium III mit massiver Volumenzunahme.«
Claudia Effertz von der Lipödem-Gesellschaft (LipöG) schätzt, dass bundesweit bis zu vier Millionen Frauen vom Lipödem betroffen sind, sehr viele das aber nicht wissen. Es brauche eine breite Informationskampagne. Meistens trete das Lipödem in Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause auf. Es könne zu orthopädischen Begleiterkrankungen wie einer Fehlstellung der Beinachsen oder Gelenkverschleiß kommen. Auch die seelischen Belastungen seien schwer. Verlauf, Ausmaß und Dynamik variierten. Kompressionswäsche und Lymphdrainage helfen, die Beschwerden zu lindern.