Sein Podcast ist jetzt auch für den Grimme-Preis nominiert: Der Virologe Professor Dr. Christian Drosten informiert fast täglich in seinem NDR-Podcast über Neues zur Pandemie. / Foto: dpa
Deutschland zähle im internationalen Vergleich zu den erfolgreichsten Ländern bei der Pandemie-Bekämpfung, weil der Ausbruch sehr früh erkannt worden sei, sagte der Leiter der Virologie der Charité am Mittwoch im NDR-Podcast. Er bedauere es, derzeit »zu sehen, dass wir gerade dabei sind, vielleicht diesen Vorsprung hier komplett zu verspielen«.
Drosten kritisierte, dass nun wieder komplette Shopping-Malls voller Menschen seien, weil die einzelnen Geschäfte darin kleiner seien als 800 Quadratmeter. »Man muss sich da schon mal fragen, ob das alles noch wirklich sinnvoll ist.« Mit Blick auf Anfragen, die ihn erreichten, warnte er auch vor »Einzelauslegungen« nach den ersten Lockerungen: »Wenn alle anfangen, sich die eigenen Interpretationsspielräume auszulegen ganz frei, dann starten an vielen Orten in Deutschland plötzlich neue Infektionsketten.«
Es würde ihn dann nicht wundern, wenn man über den Mai und in den Juni hinein plötzlich in eine Situation komme, »die wir nicht kontrollieren können, wenn wir nicht aufpassen«, betonte Drosten. Es gebe dann viel mehr Startpunkte für das Virus als zu Beginn der Epidemie. Aktuell sei Deutschland in einem sehr fragilen Bereich, sagte Drosten mit Blick auf die zuletzt vom Robert-Koch-Institut (RKI) auf 0,9 geschätzte Reproduktionszahl R. Das bedeutet, dass im Mittel fast jeder Infizierte einen anderen Menschen ansteckt.
Ähnliche kritisch hatte sich gestern auch der RKI-Vizepräsident, Professor Dr. Lars Schaade, im Pressebriefing seines Instituts geäußert. Bei einer vorschnellen Lockerungen der Maßnahmen bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass die Infektionszahlen wieder deutlich zunehmen. Die auf unter 1 gedrückte R werde dann auf ihren Ausgangswert von 2 bis 3 zurückfallen und es werde einen weiteren Ausbruch geben.»Das ist ziemlich sicher«, so Schaade.
Im Kampf gegen eine Ausbreitung des Coronavirus müssen sich die Menschen in ganz Deutschland auf das Tragen von Masken einstellen. Am Mittwoch kündigte auch Bremen als letztes Bundesland eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an: Sie solle am Freitag beschlossen werden und ab Montag für den Nahverkehr und das Einkaufen gelten, teilte ein Sprecher der Landesregierung mit. Eine Tragepflicht soll in allen Bundesländern im öffentlichen Nahverkehr und mit einer Ausnahme auch beim Einkaufen gelten.